© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/97  05. Dezember 1997

 
 
Nachruf: Der Fernsehjournalist Werner Höfer ist im Alter von 84 Jahren in Köln gestorben
Seinen Schwur hat er gehalten
von Peter Muschol

Der Fernseh-"Report" aus Baden-Baden, moderiert von Franz Alt, berichtete im Dezember 1987, was bereits der Spiegel, die Bunte, die Welt und andere Zeitungen gemeldet hatten: "der Fernsehdirektor des Westdeutschen Rundfunks besitze nicht mehr das Vertrauen des Rundfunkrates". Gemeint war damit der über Jahrzehnte hinweg bekannteste Fernsehjournalist Deutschlands, Werner Höfer. Mit seinem Absturz ("plötzlich und unerwartet") endete nach rund 35 Jahren eine Karriere in der Medienwelt der Nachkriegszeit, deren Steilflug kaum Parallelen hatte.

Geboren am 21. März 1913 in Kaiseresch an der Mosel, studierte Werner Höfer in Köln Philosophie, Geschichte sowie Theater- und Zeitungswissenschaften. In Köln wurde er auch bei der Katholischen Studentenverbindung Asgard aktiv, von der er nach dem Krieg in einem Fernsehinterview behauptete, er wäre "in einem katholischen Corps von den dortigen Alten Herren zum Nationalsozialismus geführt worden". Tatsächlich trat Höfer 1933 der NSDAP bei, was er allerdings auch nie leugnete.

Im Berliner Zwölf-Uhr-Blatt schrieb der dienstverpflichtete Kriegsberichterstatter, ganz im Sinne der Propaganda von Joseph Goebbels, anti-amerikanische Artikel und hätte wohl das verzeihende Prädikat eines "harmlosen Mitläufers" erhalten, wenn er nicht etwas übereifrig jenen stramm nationalsozialistischen Beitrag geschrieben hätte, der ihm 44 Jahre später zum Verhängnis werden sollte.

Am 7. September 1943 wurde in Berlin-Plötzensee der junge Düsseldorfer Komponist Karlrobert Kreiten gehängt. Sein "todeswürdiges Verbrechen": er hatte unvorsichtig seinen Zweifel am Endsieg Adolf Hitlers geäußert und war von einer Frau aus seinem engsten Bekanntenkreis denunziert worden. Höfer fühlte sich bemüßigt, die Hinrichtung zu begrüßen:

"Wie unnachsichtig mit einem Künstler verfahren wird, der statt Glauben Zweifel, statt Haltung Verzweiflung stiftet, ging aus einer Meldung der letzten Tage hervor, die von der strengen Bestrafung eines ehrvergessenen Künstlers berichtete. Es dürfte heute niemand Verständnis dafür haben, wenn einem Künstler, der fehlte, eher verziehen würde als dem letzten gestrauchelten Volksgenossen."

Höfer dankte Treue und Engagement mit Loyalität

Fragwürdig blieb allerdings der Zeitpunkt, zu dem der Rundfunkrat des WDR Höfer sein Mißtrauen aussprach. Unbekannt war der "Fall Kreiten" sicher nicht. In einer Vitrine in der Gedenkstätte Plötzensee war das Schicksal Kreitens dokumentiert. Das Schiller-Theater hatte das Leben Kreitens szenisch gestaltet und in der Spielstätte "Hotel Esplanade" am Potsdamer Platz aufgeführt.

Dieses Schlaglicht (auch damit kann man töten) auf Werner Höfers journalistisches Wirken vor 1945 beleuchtet grell nur die eine Seite. Die andere hebt unbestritten sein bestes Werk hervor: das von ihm kreierte und geleitete Westdeutsche Fernsehprogramm. Nach einem Zwischenspiel bei der Neuen Illustrierten und dem Stern verbrachte Werner Höfer den größten Teil seines Berufslebens beim WDR. Neben dem in seiner journalistischen Qualität überbewerteten "Internationalen Frühschoppen" – Höfer bestimmte, wie die Gespräche zwischen ihm und seinen fünf Gästen abliefen, weit entfernt von der Toleranz heutiger Talk-Shows – gelang ihm mit dem Dritten Fernsehprogramm des WDR der große Wurf. Seit 1964 zuständiger Fernsehdirektor für "das Dritte", wurde er 1972 auch für das erste Programm verantwortlich.

Er wollte es bewußt von den konkurrierenden Programmen aus München, Hamburg, Frankfurt und Baden-Baden, die Bildung mit zusätzlichen regionalen Akzenten anboten, abheben. So propagierte er sein Programm-Konzept auf der Funkausstellung 1965: "Es wird sich anstrengen, anders zu sein als die anderen, es wird sich Mühe geben, intelligent und interessant zu werden. Wenn schon nicht alles jedermanns Geschmack sein kann, so sollte doch wenigstens einiges den Erwartungen weniger entgegenkommen."

Diese Erwartungen sollten sich bald erfüllen. Dank einer ausgezeichneten Crew engagierter Journalisten, zu denen auch eine hervorragende Frau zählte, bekam das Westdeutsche Fernsehen, wie es offiziell heißt, einen intellektuellen Akzent und eine beachtliche Experimentierfreundlichkeit, durch die es sich deutlich von den anderen dritten Programmen unterschied.

Und noch etwas zeichnete Werner Höfer auswas in der Medienbranche keineswegs selbstverständlich ist: Er dankte Treue und Engagement seiner Mitarbeiter mit Loyalität: ein Wesenszug, den er nur mit wenigen seiner Direktoren-Kollegen teilte. So ist wohl auch letztlich seine tiefe und nie mehr überwundene Verbitterung zu erklären, als sich nach seinem jähen Sturz 1987 kaum einer seiner Weggefährten zu ihm bekannte. Er schwor sich damals, den WDR nie wieder zu betreten. Er soll seinen Schwur gehalten haben. Am vergangenen Mittwoch starb Werner Höfer im Alter von 84 Jahren in seinem Haus in Köln.


 
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