© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   51/97  12. Dezember 1997

 
 
Klimaschutzkonferenz: Reduktion von Treibhausgasen scheitert
Die Heizkosten sinken
von Gerhard Quast

Die Deutschen haben in den vergangenen Jahrzehnten auf Kosten der Natur gelebt. Um zu dieser Erkenntnis zu kommen, bräuchte es weder eine "umweltökonomische Gesamtrechnung" noch kluge Politikerreden auf internationalen Umweltkonferenzen. Jeder weiß, oder könnte es wissen, daß unsere Lebensgewohnheiten die Umwelt nachhaltig schädigen. Und trotzdem steigt der Naturverbrauch weiter: Während in den letzten drei Jahrzehnten die Bevölkerungszahl in Deutschland um rund ein Fünftel angewachsen ist, haben im gleichen Zeitraum die Luftschadstoffe um ein Drittel, hat der Rohstoffverbrauch um zwei Drittel und der Primärenergiekonsum sogar um 85 Prozent zugenommen. Täglich wird eine Fläche von rund 80 Hektar versiegelt. Bereits heute ist ein Achtel Deutschlands unter Asphalt und Beton verschwunden. Der Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) hat in den letzten Jahren zwar um 10,3 Prozent abgenommen, doch der Rückgang geht in erheblichem Umfang auf den Zusammenbruch der maroden Industrie den neuen Länder zurück. Noch immer nehmen hingegen die CO2-Emissionen im Bereich des Straßenverkehrs und der Haushalte zu. Die von der Bundesregierung versprochene Reduktion des Ausstoßes an CO2 um 25 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 bis zum Jahr 2010 wäre da immerhin ein kleiner Schritt in die richtige Richtung gewesen. Doch allen vollmundigen Versprechungen zum Trotz werden die angestrebten Verbesserungen nicht erreicht. Trotzdem stellt sich die Bundesrepublik Deutschland – und vorneweg Bundesumweltministerin Angela Merkel – an die Spitze der Staaten, die den USA vorwerfen, durch ihre Kompromißlosigkeit jede Übereinkunft zu blockieren. Wer im Glashaus sitzt…

Doch so ganz unbegründet sind die Vorwürfe gegen den Weltumweltverschmutzer nicht, wie die Zahlen eindrucksvoll belegen: Die USA sind mit 5,31 Milliarden Tonnen CO2-Emission der weltgrößte Luftverschmutzer, gefolgt von China (2,8 Mrd. Tonnen), Rußland (1,81), Japan (1,15), Deutschland (0,92) und Indien (0,74). Das liegt aber – anders als bei China und Indien – nicht nur an der Bevölkerungszahl, sondern insbesondere auch an der mangelnden Modernisierungsbereitschaft der US-amerikanischen Industrie und dem ungebremsten Konsumverhalten der Nordamerikaner. Während jeder US-Bürger im Durchschnitt für einen Pro-Kopf-Ausstoß von 21 Tonnen CO2 verantwortlich ist, beträgt die CO2-Emission pro Chinese "nur" zwei Tonnen. Im Klartext: Fünf Prozent der Weltbevölkerung verursachen 25 Prozent des Ausstoßes.

Die europäischen Staaten sehen in den USA den globalen Buhmann

Angesichts dieser ernüchternden Zahlen ist es verständlich, daß die europäischen Staaten in den USA den globalen Buhmann sehen und über die Rede des US-Vizepräsidenten Al Gore, der 1992 mit seinem "Marshallplan für die Erde" noch als Speerspitze der weltweiten Umweltbewegung gefeiert wurde, auf der Klimaschutzkonferenz im japanischen Kyoto enttäuscht waren. Außer einer nüchternen Bilanz über den Zustand der Erde, wohlklingenden Worten und der Selbstverpflichtung, die eigenen Emissionen von Treibhausgasen bis zum Jahr 2012 auf dem Wert von 1990 einzufrieren, sprich, auf gleichem Niveau beizubehalten, hatte der US-Abgesandte nichts zu bieten. Ganz offensichtlich sind die USA nicht zu einer Kurskorrektur ihrer Verschwendungspolitik zu bewegen. Daß diese längst möglich wäre, verdeutlicht eine vom World Wide Fund for Nature (WWF) in Auftrag gegebene Studie des Bostoner Tellus-Instituts. Demnach könnten die USA mit der bereits zur Verfügung stehenden Technologie – und gutem Willen – ihren CO2-Ausstoß gegenüber 1990 bis zum Jahr 2010 um 21 Prozent verringern und gleichzeitig Energiekosten von 278 Milliarden Dollar einsparen. Daß sofortige Maßnahmen zum Schutz des Klimas – "unabhängig davon, was andere Länder tun" – von 65 Prozent der amerikanischen Bevölkerung gutgeheißen werden, wie vor wenigen Tagen eine Meinungsumfrage der New York Times ergab, ist insbesondere deshalb überraschend, weil die CO2-produzierende US-Industrie seit Monaten eine massive Kampagne gegen verbindliche Zusagen zur Reduzierung der Treibhausgase fährt.

Wo es notwendig wäre, zum Nutzen der Umwelt Kompromisse zu schließen, zeigen sich die USA derzeit unnachgiebig und unfähig. Das sei "normal", so die nüchterne Feststellung der französischen Umweltministerin Dominique Voynet. Und die Stiftung Europäisches Naturerbe nannte die Rede des Vizepräsidenten "einer angeblichen Weltmacht unwürdig". Doch die US-Wirtschaft wird es den Verhandlungsführern danken: Sie darf weiter zu Lasten der Umwelt ungezügelt Profit erwirtschaften. Washington hat mit seinem starrköpfigen Beharren wieder einmal gezeigt, daß die USA die einzige Macht der Welt ist, die sich um die Weltbelange und -meinung keinen Deut zu kümmern braucht. Und sie lehrt uns, daß es mit der viel beschworenen Versöhnung zwischen ökonomischen Zwängen und ökologischen Erfordernissen im Kapitalismus nicht weit her ist. Kommentar auf Seite 2


 
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