© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   51/97  12. Dezember 1997

 
 
Nordrhein-Westfalen: Rot-Grüne Koalition finanziert dubiose Firmengründern
Die Lust am Konkurs
von Ilse Meuter

Eifrig zimmert die linke Meinungsmache an einem neuen Mythos:
dem hierzulande Arbeitsplätze schaffenden ausländischen Unternehmer. Imposante sechsstellige Zahlen werden ins Feld geführt. Milliarden-Umsätze sollen getätigt worden sein, das Unternehmertum der "Immis", will sagen: der zu ständigen Bewohnern gewordenen vormaligen "Gastarbeiter", wird zum unverzichtbaren Pfeiler der "deutschen Wirtschaft" aufgenordet. In Wahrheit ist das Ganze mehr Schein als Sein. Unmanipulierbare autochthone Nachbarn fragen sich in steigendem Maße, womit der nachbarliche Betreiber eines vorstädtischen Gemüsehandels seinen S-Klasse-Benz bezahlt. Wie der Pizza-Blitz um die Ecke die Pacht aufbringt, die er monatlich in fünfstelliger Höhe abzudrücken hat. Wie man einen Laden hält, den wochenlang kein Kunde betritt, in dem sich bloß "nach Feierabend" dubiose Gestalten versammeln. Selbst deutsche Sicherheitsbehörden sollen schon dem Gedanken nähergetreten sein, bei einem nicht geringen Teil der gepriesenen ausländischen Unternehmensgründungen könne es sich um schlichte Geldwaschanlagen organisierter Krimineller handeln.

Soweit, so schlecht. Da unter Johannes Rau in Nordrhein-Westfalen nicht sein kann, was nicht sein darf, wird dort gleichsam kontrafaktisch gehandelt. Der sozialdemokratische Ministerpräsident erklärt ausländische Existenzgründer zur "speziellen Zielgruppe" – freilich nicht verstärkter Ermittlungsanstrengungen, sondern zu Günstlingen einer "Go!" benannten "Gründungs-Offensive". Jüngst konnten sich zahlreiche "Migrantinnen und Migranten" (Neven-DuMonts Revolver-Blatt Express) auf einer Tagung in Essen über "Förder-töpfe" der öffentlichen Hand schlau machen.

Möchtegern-Firmenchef Turhan Günaydin (34) ist auf "die deutschen Banken" nicht gut zu sprechen: "Seit drei Jahren will ich mich selbständig machen mit einem türkischen Info-Dienst fürs Internet. Die Bank lehnt mein Konzept ab: Die Personalkosten sind zu hoch. Ich will zwölf Landsleute einstellen, damit die von der Straße kommen." Evmarie Barheier-Müller, Projektleiterin von "Go!", pflichtet ihrem Klienten bei: "Die deutschen Banker scheuen das Risiko. Sie sind ohne Phantasie und gehen stets auf Nummer sicher." Turhan kommt in Fahrt: "Die Bankfritzen gucken immer nur auf die Zahlen für zwei Monate, die haben keine Ahnung von Zukunftstechnologie." Damit spricht er den drei potentiellen Bossen mit deutschem Paß neben ihm aus der Seele: "Wir haben das auch erlebt. Banken sind bei Ausländern immer mißtrauisch." Nicht zur Sprache kommt, daß die Institute nicht selten reinfallen, weil angebliche Unternehmensgründer sich mit dem geliehenen Geld in ihr Herkunftsland absetzen.

Solchen kleinlichen Schikanen wird der Kreditnehmer bei den "Transferstellen für ausländische Existenzgründer" in NRW nicht ausgesetzt; das Landesarbeitsministerium übernimmt den größten Teil der Personalkosten, wenn der künftige Boß seine Leute aus "Problemgruppen" rekrutiert: Arbeitslose, Behinderte, Jugendliche und Frauen. Furhan möchte zwölf Stellen schaffen und ist nicht abgeneigt, sogar Deutsche einzustellen: Erst wenn die Zusage des Ministers da ist, wird die Bank den sechsstelligen Kredit bewilligen. Dann wird er seine Firma ins Handelsregister eintragen lassen. "Beratung, Beratung und nochmals Beratung!", lautet sein Rat an die zahlreichen Teilnehmer am "Gründertag für Ausländer" in der seit Jahren bereits geschlossenen Essener Zeche Zollverein.

Ildiz Oczan aus Bonn findet es gut, daß er sich nach Fördermöglichkeiten erkundigen kann, dort seien die Ausländer wieder unter sich, dabei könnten "die Deutschen allerhand von uns lernen, besonders im Service". (Als sei nicht just jene in den Nachkriegsjahren epidemisch ausgebrochene Unlust der Einheimischen zu dienen der zentrale Ermöglichungsgrund der Massenzuwanderung geworden…) Das "Zentrum für Türkeistudien", eine an der Essener Universität angesiedelte Agentur der Einwanderungs-Lobby, posaunt in vierfarbigen Broschüren, daß "in der ausländischen Bevölkerung ein enormes Grundpotential" stecke: fragt sich bloß welches. In steigendem Maße tritt es – für die autochthone Bevölkerung – negativ in Erscheinung: als riesige Belastung der in Jahrhundertfrist mühsam errichteten sozialen Sicherungssysteme und besonders kraß in der Kriminalstatistik.

Doch so konkret will unter Landesvater Rau, Michael Vesper und Bärbel Höhn in NRW keiner werden. Die "Türkeistudien" wollen 67.000 Unternehmer unter den zwei Millionen Migranten in NRW gezählt haben; die Zahl habe sich seit 1986 verdoppelt, so der Direktor des steuergeldfinanzierten Instituts, Faruk Sen, und es seien allein 14.000 türkische Selbständige, die 57.000 Menschen beschäftigt hätten bei 14 Milliarden Jahresumsatz.

Die Döner-Bude an der Ecke sei längst nicht mehr typisch; außerhalb der "ethnischen Nischen" im Gastgewerbe, der Touristik und im Einzelhandel gebe es endlich auch Verleger, Handwerker, Architekten. Ärzte, Rechtsanwälte und Informationstechniker; besonders erfreulich (für wen? I. M.) sei die steigende Zahl von Hochschulabsolventen unter den Einwanderern.

Unerwähnt bleibt, daß jeder Dritte dieser Unternehmer in den ersten drei Jahren bankrott geht und die aus solchen Firmenzusammmenbrüchen resultierenden negativen Folgen der Allgemeinheit, näherhin dem Steuerzahler, also dem (noch) mehrheitlich deutschen Bevölkerungsteil aufbürdet. Soweit die Ursachen nicht im Bereich krimineller Delinquenz liegen, fehlt es häufig an kaufmännischen Kenntnissen, war die Marktanalyse falsch und die Kapitaldecke zu knapp. Das zu ändern ist Zielsetzung der "Go!"-Offensive: sie hilft bei Banken und Behörden, mit Dolmetschern bei mangelnden Sprachkenntnissen, damit "die Konzepte noch überzeugender präsentiert" werden können.

1994 gründete Wolfgang Clements Superministerium fünf regionale Transferstellen in Dortmund, Duisburg, Essen, Münster und Hückelhoven; in Trägerschaft des "Zentrums für Türkeistudien" sollen sie die erste Adresse für ausländische Existenzgründer sein. Sie beraten beim Firmenkonzept, sollen die Jungunternehmer über Jahre begleiten. Das "Zukunfts-Zentrum Zollverein (Triple Z)" bietet staatlich subventionierte Büroräume sowie Produktions- wie Lagerhallen, deren Miete weit unter dem üblichen Marktpreis liegt. Die Transfer-Berater weisen die Ausländer auf diverse Fördertöpfe von Bund und Ländern hin, unterstützen sie gratis bei Verhandlungen mit Banken, Ämtern und Handelskammern; wer dies wünscht, wird auch an private Unternehmensberater vermittelt.

Derzeit kommen rund 700 Migranten in den Genuß solch landeshoheitlicher Privilegien, die unter Rotgrün für Autochthone unerreichbar sind. Nach einer Umfrage unter den Transferstellen geht deren Koordinatorin Gülay Kizilocak davon aus, daß mehr als 20 Prozent der Gründer sich bereits "fest etabliert" haben.

Künftig gebe es drei Risikokapitalfonds mit jeweils 30 Millionen DM Einlage, die Wirtschaftsminister Clement bei etlichen Banken "losgeeist" habe. Ab Januar 1998 stehe dieses Geld "Interessenten unabhängig vom Paß" zur Verfügung. Man hege die Hoffnung, daß das Projekt funktioniere, und dann zögen sicher mehr private Kreditgeber mit.

Solche Hilfen hätte auch er gebraucht, bedauert am Getränkestand der alerte Namik Bilgin aus Istanbul/Mühlheim; er sei damals auf der Suche nach Erweiterungskapital für seine Baufirma nirgends auf Verständnis gestoßen. "Es war nirgends was zu holen, deutsche wie türkische Banken haben total gemauert. Es war nichts zu machen, ich hatte drei Jahre zu früh gegründet. Jetzt lebe ich wieder von Sozialhilfe." Sicherlich gibt "Transfer"-Rau seinem Namik noch eine Chance, die öffentliche Hand hat’s ja. Und Clement gibt’s gnädig. Bei den paar Billionen Mark Miesen kommt’s eh nicht mehr drauf an.


 
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