© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   51/97  12. Dezember 1997

 
 
Klaus Hübner: Einsatz. Erinnerungen des Berliner Polizeipräsidenten 1969-1987
Am Abgrund des Bürgerkrieges
von Heinrich Lummer

Im Leben ist alles relativ. Es gab in Berlin und vor allem in der dortigen CDU immer Leute, die sich einen besseren Polizeipräsidenten vorstellen konnten. Der Blick in die Runde der deutschen Länder machte aber deutlich: Klaus Hübner war einer der Bedeutendsten. Sicher ergab sich diese Bedeutung auch aus der Aufgabe in Berlin, aber eben auch aus seiner Persönlichkeit. Nun hat er seinen "Einsatz" in Berlin beschrieben. Man nennt das manchmal Memoiren. Seine Memoiren sind in der Tat überwiegend einsatzbezogen. Er hat sie aufgeschrieben, soweit sie dienstlich relevant sind. Insofern ist das Buch in erster Linie etwas für Insider und solche, die sich für Polizei und innere Sicherheit interessieren. Das schließt nicht aus, daß da oder dort gewonnene Lebensweisheiten zum Ausdruck kommen.

Sein "Einsatz" erfolgte in schwierigen Zeiten und ist ein Stück Zeitgeschichte. Natürlich ist es seine Sicht der Dinge, die dominiert. Es ist nicht das Werk eines Historikers, aber für Historiker sicherlich nützlich. Seine Kombattanten und Kommilitonen werden den einen oder anderen Sachverhalt anders akzentuieren, da oder dort auch korrigieren. So ist es unzutreffend, daß Schenk bei der CDU keine Chance hatte. Er habe es sich "verscherzt, als er mit zäher Gründlichkeit, aus seiner Zuständigkeit, die Ermittlungen vorantrieb, die zur Aufklärung des Korruptionsskandals um den CDU-Bezirksbaustadtrat Antes führen sollten." Bei mir hatte es sich der erfahrene und anerkannte Kriminalist allerdings verscherzt, weil er bereits vor einer Entscheidung solche Gerüchte in die Welt setzte.

Warum hat Klaus Hübner das Buch geschrieben? Irgendwo kann man lesen: "Nun, der Gefahr, als Sieger verkannt zu werden, ist ein Polizeipräsident kaum ausgesetzt. Er muß sich mit dem zweifelhaften Ruhm begnügen, ein Equilibrist in der Kunst der Rechtfertigung zu sein – auch für das, was er gut gemacht hat." Natürlich ist hier auch ein Stück Rechtfertigung zu lesen. Er will deutlich machen, daß seine Zeit eine Zeit der großen Reformen und richtigen Entscheidungen war. Er sieht sich als denjenigen, der die Berliner Polizei aus der "Festungsmentalität" herausgebracht hat, in der sie erstarrt war. Die Polizeiführung sei "mental" militarisiert gewesen. Für ihn ging es also um nicht mehr und nicht weniger als die Demokratisierung der Polizei: "In einer PP Information gab ich am 13. Oktober 1970 den Bruch mit dem Überkommenen bekannt." Bruch! Das ist starker Tobak. Die Ermessensentscheidung des Einzelnen sei nun ein Teil des neuen Führungsstils. Da wird so etwas wie eine geistige Wende in Anspruch genommen, die es gewiß gegeben hat, wenn auch nicht ganz so dramatisch wie es hier erscheint. Es war noch die Zeit der 68er und ihre Folgen. Da wollte man alles durchdemokratisieren. Die Nachwelt wird das nicht ganz so richtig finden wie Klaus Hübner damals. Und in der Polizei gibt es natürlich Grenzen gegen die Durchdemokratisierung. Auch der Polizeipräsident Klaus Hübner hat diese Grenzen bei seinen Entscheidungen immer gesehen und in Anspruch genommen. In der späteren Machtübernahme durch die CDU erkennt Hübner offenbar keine Wende. Und doch hat es sie gegeben und jeder Bürger hat es begriffen. Da war eben nicht nur Kontinuität in der Anwendung der sogenannten "Berliner Linie" bei der Lösung der Hausbesetzerproblematik, sondern es war wohl so, daß die einen die "Berliner Linie" erfunden haben, aber erst nach dem Wechsel im Juni 1981 wurde sie konsequent angewandt. Und wie man weiß mit Erfolg. Bis zum Wechsel stieg die Zahl der besetzten Häuser an, danach nahm sie ab. Nach dreieinhalb Jahren gab es keine besetzten Häuser mehr. Kein Zweifel, daß die Polizei hier loyal mitgemacht hat. Aber Vogel als Fraktionsvorsitzender der SPD hat die Räumung nach dem Juni 1981 gerügt und der neue Senat hat sie veranlaßt.

Die politische Führung ist eben das eine, die Polizei das andere. Daraus sollte niemand die Konsequenz ziehen, die Innenverwaltung müsse in die Polizei hineinregieren. Sie kann Aufgaben und Ziele vorgeben, aber nicht den Versuch machen, den Polizeipräsidenten zu ersetzen oder zu entmachten. Hier liegt wohl auch die Ursache von Hübners Ausscheiden. Mehr und mehr versuchte die Berliner Innenverwaltung, das Heft in die eigenen Hände zu bekommen. Und das mußte irgendwann schiefgehen. Nachfolger sollten daraus lernen, auch wenn es nicht immer leicht ist, die politische Führungsaufgabe und das polizeiliche Handwerk auseinanderzuhalten.

Auch Klaus Hübner sieht das Amt des Polizeipräsidenten als politisches Amt. Das mag zutreffen. Aber natürlich darf das nicht parteipolitisch verstanden werden. Den damit verbundenen Gefahren hat sich Hübner ausgesetzt, als er von "sozialdemokratischer" Sicherheitspolitik sprach, die er mache. In einem solchen Falle wäre der Wechsel fällig wie bei den Staatssekretären, wenn auch die Regierung wechselt. Klaus Hübner hat den politischen Wechsel 1981 überstanden, weil er seine Bemerkung, er mache "sozialdemokratische Sicherheitspolitik" nicht allzu wörtlich nahm. Gibt es denn so etwas überhaupt wenn man ernsthaft an der Lösung der Probleme interessiert ist? Natürlich haben die meisten Konflikte über den Weg und nicht über das Ziel stattgefunden. Dennoch gibt es gehörige Sachzwänge, die schließlich auch Schröder und Voscherau dazu zwangen, Sicherheitskonzepte zu übernehmen, die man früher nur von Rechten hörte. Entscheidend ist der Wille, das Problem zu lösen. Und eben dies hat die Kooperation ermöglicht.

Klaus Hübner war mehr als 18 Jahre lang Polizeipräsident. Einen solchen Job hält man nicht durch, wenn man nichts kann. Aber wenn man weiß, was man kann, kann darin auch eine Schwäche liegen. Natürlich soll man sein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Aber vielleicht zündet Klaus Hübner dann und wann eine Kerze zu viel an. Das aber merkt der kritische Leser und kann es zurechtrücken. Wer wie Klaus Hübner kritische und selbstkritische Polizeibeamte wünscht, sollte sich auch kritische Leser wünschen.

Heinrich Lummer

Klaus Hübner: Einsatz. Erinnerungen des Berliner Polizeipräsidenten 1969–1987, Jaron Verlag, Berlin 1997, 440 Seiten, geb., 44 Mark


 
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