© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   51/97  12. Dezember 1997

 
 
Gefallener Umweltengel
von Michael de Wet

An einem Erfolg des Klimaschutzgipfels in Japan hatte schon zu Beginn niemand geglaubt. Überraschend – und desillusionierend – war jedoch die Härte, mit der die USA und Japan jede Annäherung, jeden Kompromiß mit den Positionen der EU und Deutschlands abblockten. Vergessen waren die hehren Absichtserklärungen auf dem Rio-Gipfel vor fünf Jahren, vergessen die Beschwörungen des US-Vizepräsidenten, die USA müßten auch in Sachen Umweltschutz eine Weltmacht werden. Al Gores Rede, vollmundig gespickt mit Beschwörungen der globalen ökologischen Lage, war nichts weiter als Schall und Rauch. Denn "differenzierte Klimaschutzziele", das Zauberwort, das die USA prägten, besagt ja nichts anderes als: Wenn die Europäer ihre Treibhausgase bis 2010 um 15 Prozent reduzieren wollen, so sei ihnen das nicht verwehrt – aber bitte ohne uns. In Europa wird dieses schlechte amerikanische Vorbild jenen Kräften Auftrieb geben, die aus Gründen der internationalen Konkurrenz- und Wettbewerbsfähigkeit vor ökologischen "nationalen Alleingängen" warnen.

In diese Kerbe hauen auch die Chinesen, bereits jetzt nach den USA größter Emittent von Treibhausgasen. Der chinesische Forstminister Chen Yaobang erklärte denn auch in Kyoto, eine Beteiligung Chinas an der Reduktion der Emissionen könne erst dann in Frage kommen, wenn die Volksrepublik denselben Industrialisierungsstand wie die reichen westlichen Länder erreicht habe. Mit dieser Argumentation macht sich China zugleich zur Speerspitze jener Schwellenländer, die sich weigern, in das angestrebte internationale Abkommen zum Klimaschutz einbezogen zu werden.

Die größte Enttäuschung für die ökologisch weitsichtigen Teilnehmer am Kyoto-Gipfel war jedoch Al Gore. Daß seine daheim in Wahlkämpfen geäußerten ökologischen Einsichten ehrlich gemeint sind, soll nicht angezweifelt werden. Die Bremserrolle der USA, die er in Japan zu rechtfertigen hatte, wurde ihm von den großen Konzernen seines Landes diktiert. Und ein Politiker, der offen Ambitionen auf das höchste Amt der USA hegt, wird sich hüten, es sich mit diesen einflußreichen Kräften zu verderben. Diese Kräfte aber träumen immer noch den amerikanischen Traum, der sich die Erde untertan macht, sei es ökonomisch, sei es als Weltpolizist. Umweltschützer sind für Anhänger dieser Philosophie nichts weiter als linke Spinner.

Nach dem Klimagipfel von Kyoto hat der US-Vizepräsident bei Umweltschützern seinen Kredit jetzt wohl verspielt. Nun sollten es auch die letzten unverwüstlich das Gute im Menschen beschwörenden Grünen erkennen: Auf den Thron der Macht können keine grünen Idealisten steigen – höchstens gefallene Umweltengel.


 
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