© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/00 07. Januar 2000


Politaffären: Die SPD profitiert von der durch Finanzskandale ins Straucheln geratenen CDU
Absturz der Union
Dieter Stein

Gerade noch auf hohen Rossen von hinten durch die Brust geschossen ... So könnte man das vergangene Jahr für die CDU zusammenfassen. Eine sensationelle Siegesserie absolvierte die CDU im Jahr 1999. Dann der jähe Absturz. Auftakt bildete die Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft im Januar 1999. Sie läutete kurz nach dem Regierungswechsel Kohl zu Schröder den Trendwechsel ein. Roland Koch siegte in Hessen und stürzte Hans Eichel, der nun als Finanzminister eine der besten Figuren im Schröder-Kabinett abgibt. Lustvoll straften die Wähler bei den folgenden Landtagswahlen die SPD und die Grünen für ihren konzeptionslosen Schlingerkurs ab, in dem sie in Scharen zur eben noch abgewählten CDU überliefen.

Dabei hat es die CDU versäumt, grundlegend die Ursachen für ihr Scheitern 1998 aufzuarbeiten. Sie hat auch nicht erkannt, welche richtigen Wege sie mit der Doppelpaß-Kampagne beschritten hat. Die Unterschriftenkampagne hatte einen für unsere von der anmaßenden Allmacht der Parteien erdrosselte Demokratie erfrischenden und belebenden Charakter. Bürger spürten plötzlich, wer im Land eigentlich das sagen hat: Nicht verschrobene Parteipolitiker, die spleenige Utopien am Volk vorbei durchpauken wollen, sondern der Demos, auf Deutsch das Volk, das in einer Demokratie herrschen soll.

Es gab in der Union aber genügend Parteipolitiker, die frühzeitig vor plebiszitären Experimenten warnten. So wurde die Doppelpaß-Kampagne zunächst verwässert, schließlich gestoppt. Zum 1. Januar 2000 wurde der Doppelpaß nun in leicht abgemilderter Version eingeführt, widerstandslos hingenommen von einer paralysierten Union. Der Doppelpaß-Erfolg, der zum Sieg von Roland Koch führte, wurde verspielt und verschenkt. Die CDU steht nun als Papiertieger da, den die SPD locker an die Wand gespielt hat.

Daß die CDU strukturell derzeit gar nicht in der Lage ist, zu einer Partei der Demokratiereform zu werden, wurde durch die im November ausgebrochene Parteispendenaffäre um Helmut Kohl überdeutlich. Die CDU-Führung, die Mandats- und Funktionsträger profitieren konstitutionell von den Möglichkeiten der indirekten Demokratie, der Filterung des Wählerwillens, der Kandidatenaufstellung auf Delegiertenparteitagen, die blasse Gestalten auf Landeslisten absichern, die vom Wähler niemals gewählt würden. Sie sind aber auch Teilhaber eines Verteilungssystems, das einen riesigen Apparat mit Ämtern, Posten und Vorteilen versorgt. Warum etwas an diesem Verfahren ändern?

So können es nur Krisen und Skandale sein, die erstarrte und der öffentlichen Kontrolle teilweise entzogene Apparate wie Parteien erschüttern und grundsätzliche Überlegungen anstoßen können, wie die Demokratie zu reformieren ist. Aus sich selbst heraus sind die Parteien dazu nicht in der Lage. Sie bedürfen des massiven Drucks einer kritischen Öffentlichkeit, die lückenlos Verfehlungen im Finanzgebaren der Parteipolitiker offenlegen. Die schonungslos den kriminellen Mißbrauch politischer Macht zur Vorteilsnahme anprangern. Und schließlich: Es müssen Schritte durch öffentlichen Druck erzwungen werden, die die Allmacht der Parteien zugunsten direkter Mitwirkung der Bürger brechen – wie es teilweise auf kommunaler Ebene verwirklicht ist.

Die Parteifinanzen nicht nur der CDU, sondern aller Parteien, scheinen außer Kontrolle geraten. Die Kontrolle muß wieder her und die Versuchungen zum Mißbrauch beseitigt werden. Unionspolitiker der zweiten Reihe, die unbelastet sind und ihre politische Zukunft noch vor sich haben, täten gut daran, sich nicht an den Verschleierungs- und Verharmlosungsversuchen der Parteispitze zu beteiligen, sondern stattdessen das Lager zu wechseln: Weg vom Parteilobbyismus, hin zu den Bürgerinteressen. Darin könnte auch das Geheimnis künftiger Wahlerfolge liegen.

Helmut Kohls Regentschaft wurde als patriarchalisch tituliert, sein Finanzgebaren als das eines Patriarchen verharmlost. Die Zeiten sind aber wohl vorbei, in denen die Deutschen patriarchalisch regiert werden wollen. Der Abschied vom Denkmal Kohl, den Generalsekretärin Angela Merkel jetzt formulierte, darf nicht symbolisch sein. Eine CDU im Schatten Kohls wird Schröders Macht dauerhaft sichern.


 
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