© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/00 07. Januar 2000


Universität Potsdam: Eine Anzeige der JF wird zum Stein des Anstosses
Linke Peinlichkeiten
Alexander Schmidt

Die Hochschulleitung der Potsdamer Universität unter Federführung ihres Rektors Wolfgang Loschelder hat die weitere Verteilung einer im Dezember vom CDU-nahen Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) herausgegebenen Zeitschrift verboten. Außerdem besteht die Weisung, bereits verteilte Exemplare wieder einzusammeln.

Der Hintergrund: Wie viele politischen Vereinigungen gibt auch der RCDS an der Potsdamer Universität ein Informationsheft für Studenten heraus. In der Weihnachtsausgabe der Gaudeamus – dem Magazin des CDU-Nachwuchses – finden sich ein Beitrag des Präsidenten der Paneuropaunion, Otto von Habsburg, ein Bericht zum damals noch brandneuen James-Bond-Film und eine augenzwinkernde Werbeanzeige, in der Gerhard Schröder mit dem Duft der Macht ("Dilettante") wirbt. Blättert man weiter, finden sich Buchtips und Abrisse über die preußische Geschichte. Für die mehrheitlich nicht besonders politische Studentenschaft war das kein großes Problem. Markige Sprüche wie "Wir sind die bösen Jungs, vor denen Dich die Linken immer warnen" störten die Mehrheit der Studenten genausowenig wie eine beigelegte Werbekarte des Ostpreussenblattes oder die Werbung der Landsmannschaft Brandenburg.

Stein des Anstoßes war eine Anzeige der JUNGEN FREIHEIT. Begründet sieht der Justitiar der Universität Potsdam, Korlemann, die drastische Maßnahme in der Erwähnung JUNGEN FREIHEIT im Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen, indem der JF der "Verdacht auf Anhaltspunkte verfassungsfeindlicher Bestrebungen" unterstellt wird. "Wenn irgendeine studentische Organisation für ein extremistisches Medium wirbt", so Korleman auf Anfrage der JF, "sind wir gezwungen, das zu unterbinden." Und der Verdacht reiche zur Kategorisierung "rechtsextrem" schließlich aus. Eine Argumentation, die für den ehemaligen Berliner Innensenator Heinrich Lummer mehr als unverständlich ist. Im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT sagte er, daß die bloße Nennung einer Person, Zeitung oder Partei im Verfassungsschutzbericht nicht dazu führen dürfe, daß diese quasi verboten würde. Abgesehen davon würde die PDS zuhauf von Verfassungsschützern erwähnt, fände aber überall Möglichkeiten der Werbung. Für die Universitätsleitung sei der Vorgang abgeschlossen, wie der persönliche Referent von Wolfgang Loschelder erklärt. Man habe mit dem RCDS "Qkommuniziert" und sei einvernehmlich dazu gekommen, "die Verteilung der umstrittenen Ausgabe einzustellen".

Im Gespräch mit Sören Kupke, der für den RCDS im Potsdamer Studentenparlament sitzt, sagte dieser jedoch, daß ein Gespräch über das Thema nie stattgefunden habe. Vielmehr sei ein Fax eingegangen, indem die Leitung der Universität auf die Erwähnung der JUNGEN FREIHEIT im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht hinweist, auf das die RCDSler mit einem ebensolchen antworteten. "Der Verfassungsschutz ist Ländersache", sagen die Studenten. Und in dem Bericht von Brandenburg findet sich keine Erwähnung. Deshalb könne man auf den Bericht aus Nordrhein-Westfalen keine Rücksicht nehmen.

Zudem verweisen die Angegriffenen darauf, daß es sich um eine gewerbliche Anzeige gehandelt habe. Außerdem nutzten viele Unionspolitiker die JF als Forum in Form von Interviews oder Beiträgen. Mittlerweile hat der AStA bei dem Rektorat ein Verbotsverfahren gegen den RCDS in Potsdam angestrebt.

Die beschuldigten Studenten sehen der Sache gelassen entgegen. "Es gibt praktisch keine Handhabe", so Kupke über die Extremismusvorwürfe gegen seinen Verband. In den nächsten Wochen wolle man das persönliche Gespräch mit der Universitätsleitung suchen und die Sache dann auf sich beruhen lassen.

Inzwischen berichteten auch schon mehrere Zeitungen über die Vorgänge an der Potsdamer Universität. Allerdings wurde der RCDS, der im Mittelpunkt des Interesses steht, von keiner einzigen Zeitung um eine Stellungnahme gebeten. Statt dessen blieb der AStA-Frauenreferentin Kristina Link in der Märkischen Allgemeinen Zeitung genug Platz, um sich über die Anzeige der Landsmannschaft Brandenburg, die dann auch mal zur Burschenschaft Landsmannschaft Brandenburg werden kann, zu ereifern. Aus einem rein chronologischen Abriß über Preußen wird ein "revanchistischer Text" (Link), in dem der Verlust der preußischen Gebiete bedauert würde. Offenbar wurde auch diese Aussage von dem Autor unüberprüft übernommen. Sonst hätte er den Satz "Erst infolge des zweiten Weltkrieges wurde die preußische territoriale Einheit zerschlagen", anders aufgefaßt.

Mittlerweile sollen bereits öffentliche rechtsextremistische Äußerungen gefallen sein, wie der Autor der Märkischen weiter schreibt, ohne jedoch eine Quelle zu nennen. Von solchen Äußerungen weiß aber keiner der vermeintlich Beteiligten etwas.

In einem elektronischen Brief an den Potsdamer RCDS weist der AStA darauf hin, daß diese den Bundesvorstand des RCDS bereits in Kenntnis gesetzt hätten. Dort wird die Anzeige in der Zeitung jedoch nur zwischen "Fauxpas" und "äußerst ungeschickt, aber in keinem Falle rechtsradikal" bewertet, wie die Tageszeitung Die Welt berichtet. Bei dem RCDS herrsche "Gruppenautonomie", so der stellvertretende Bundesvorsitzende Christoph Ritzer, in der jedes Mitglied seine politische Freiheit selbst bestimmen könne.

Am Dienstag mußten sich die beiden Studenten vor dem Studentenparlament rechtfertigen, wie ein Diskussionspunkt auf der Tagesordnung der Sitzung ankündigte. Inzwischen hat sich der Politikwissenschaftler und JF-Kolumnist Klaus Hornung in die Diskussion eingeschaltet. Er wirft dem Potsdamer Rektor Wolfgang Loschelder einen unstatthaften Eingriff in die Pressefreiheit vor und beklagt als langjähriges Mitglied der Union die "politische Kurzsichtigkeit des bürgerlichen Lagers". "Herr Gysi", schreibt Klaus Hornung weiter, "wird mit ihrer Aktion sehr zufrieden sein."

Das konnte nicht in Erfahrung gebracht werden, tatsächlich aber fühlt sich der AStA, von dem die Entscheidung der Universitätsleitung nach eigenen Angaben "begrüßt" wird, als der moralische Sieger im vermeintlichen Kampf um die Demokratie. "Dies ist eine leider weiterhin um sich greifende politische Mentalität", beklagt der Berliner Politikwissenschaftler Klaus Motschmann die aktuelle Situation. Die Auseinandersetzung mit der politischen Rechten, so Motschmann, werde nicht argumentativ sondern administrativ betrieben. Dies sei im Umgang mit der politischen Linken stets als Ausdruck vor-aufklärerischen Denkens verurteilt worden ist.


 
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