© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/00 07. Januar 2000


Kino: "Tee mit Mussolini" von Franco Zeffirelli
Die Ladies und der Duce
Werner Olles

Florenz in den dreißiger Jahren. Luca Innocenti (Baird Wallace), der illegitime Sohn eines italienischen Schneiders und Tuchhändlers, wird von einer Gruppe äußerst resoluter, aber gleichwohl ziemlich exzentrischer englischer Ladies, welche die atemberaubend schöne Stadt zu ihrem Alterssitz erkoren haben, regelrecht "adoptiert" und erzogen. Vor allem Mary Wallace (Joan Plowright), die zeitweilig bei Lucas leiblichem Vater arbeitet, wird zu seiner Ersatzmutter und weckt in dem Jungen eine bleibende Liebe zu den schönen Künsten und vor allem zu Shakespeare.

Unumstrittene Anführerin der illustren Damengruppe, die eisern an ihren ebenso kultivierten wie leicht spleenigen Ritualen festhält, ist Lady Hester Random (Maggie Smith), die Witwe des ehemaligen britischen Botschafters in Rom. Leicht entfernt von der Wirklichkeit lebt sie in dem Wahn, eine besondere Beziehung zum Duce Benito Mussolini (Claudio Spadaro)zu haben, dessen Politik sie vorbehaltlos bejaht. Allen Ladies gemeinsam ist jedoch ihre Liebe zu Italien und zur italienischen Kultur.

Mitten hinein in diesen charmanten Kreis, zu dem am Rande auch die provokant lesbische amerikanische Archäologin Georgina (Lily Tomlin) gehört, platzt das Ex-Ziegfield-Showgirl Elsa (Cher), eine Amerikanerin jüdischer Abstammung, die dank diverser älterer Herren, die sie beerbte, als Kunstsammlerin dilettiert.

Als die Ladies eines Tages Zeuginnen von Straßenunruhen werden, wird Hester beim Duce vorstellig, und dies kulminiert wortwörtlich in einem "Tee mit Mussolini". Doch die gemütliche und kultivierte florentinische Welt verändert sich mit den engeren Banden Italiens zum Dritten Reich, der Verabschiedung der Rassengesetze und – sehr dramatisch – mit dem Kriegseintritt Italiens. Als "feindliche Ausländer" werden die Ladies in den Nachbarort San Gimignano in den toskanischen Hügeln deportiert, wo sie sich unter anderem mit Hingabe der Restaurierung der wunderschönen Fresken in den mittelalterlichen Türmen widmen, der Jüdin Elsa zur Flucht in die Schweiz verhelfen und den Einmarsch der Alliierten abwarten.

"Tee mit Mussolini" ist zweifellos Franco Zeffirellis ( "Hamlet", "Othello", "La Traviata", "Jane Eyre", "Romeo und Julia") ergreifendster, auf jeden Fall aber persönlichster Film. Der Regisseur läßt hier seine eigene Kindheit Revue passieren, denn Zeffirelli, 1923 in Florenz, der Stadt, die für ihn die Wiege der Zivilisation und der Kunst ist, geboren, war jener Knabe Luca, dessen bittersüße Geschichte hier mit vielen komödiantischen Momenten angereichert, erzählt wird. So wird der faschistische Alltag in den dreißiger Jahren zunächst durchaus positiv geschildert: Alle hatten Arbeit, die Kriminalität ging zurück, die Straßen waren sauber. Erst als Mussolini im Juni 1940 endgültig auf Hitlers Seite in den Krieg eintrat, änderte sich so manches, nicht zuletzt für Zeffirellis englische Ladies, die es abgelehnt hatten auszureisen, weil sie fest daran glaubten, der Duce würde seine schützende Hand über sie halten. Trotz mancher Widrigkeiten blieben sie aber bis zum bitteren Ende, und eine ihrer letzten Heldentaten war es, einen Offizier der Waffen-SS davon zu überzeugen, die Türme von San Gimignano nicht zu sprengen.

"Tee mit Mussolini" ist – auch dank seiner hervorragenden Besetzung – ein sehr bewegender Film, ein fesselndes Zeitdokument voller Leben, Dramatik und Humor, und sehr wohltuend ist auch der Verzicht des Regisseurs auf jegliche platte Antifa-Ideologie. Insbesondere der bestens gelungene Einbezug der florentinischen Altstadt-Kulisse mit seinen herrlich überladen ausgestatteten Patrizierhäusern und der phantastischen toskanischen Landschaft bilden eine Gesamtkomposition, die ihn zu einem der schönsten Filme der letzten Jahre machen.


 
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