© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/00 14. Januar 2000

 
LOCKERUNGSÜBUNGEN
Doppelpaß
Karl Heinzen

Das Scheitern der Welthandelskonferenz von Seattle hat auch dem organisierten Fußball einen Nackenschlag versetzt. Es regen sich Kräfte, die wider alle ökonomische Vernunft auf Reglementierung statt auf Markt setzen und damit die Integrationserfolge zwischen den Ligen und die mühsam erstrittenen Freiheitsrechte von Vereinen und Lizenzspielern aufs Spiel setzen. Ausgerechnet die Häupter des Fußball-Weltverbandes FIFA und des Europäischen Spitzenverbandes UEFA sind es, die den Profivereinen vorschreiben wollen, in Zukunft nicht mehr als fünf Ausländer pro Spiel auflaufen zu lassen. Ein solcher Plan widerspricht jedoch nicht nur jeder Logik der Globalisierung, er ist zugleich ein Spiel mit dem Feuer: Wer einer ethnischen Präferenz im Fußball das Wort redet, verhöhnt alle Hoffnungen auf den Sport als moralische Anstalt. Nach den schrecklichen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts darf es aber keine neuerliche Entfesselung nationaler Leidenschaften mehr geben.

Ein verordneter "Ausländerstopp" (Bild) hätte zudem auch praktische Folgen. Clubs wie der VFB Stuttgart, der Hamburger SV oder selbst Schalke 04 könnten schon für die 2. Liga planen, einzig die SpVgg Unterhaching als deutschnationaler Vorzeigeverein dürfte Morgenluft wittern. Das wiederum kann aber nicht einmal im Sinne derjenigen sein, die noch ein Mindestmaß an Gespür für Tradition aufbringen. Auch deutschstämmigen Profifußballern wäre durch eine solche Bestimmung ein Bärendienst erwiesen. Sie hätten nicht mehr in diesem Maße die Chance, einen Mangel an Talent auf der Ersatzbank zu verstecken. Darüber hinaus wären auch ihre eigenen Beschäftigungsmöglichkeiten im Ausland eingeschränkt. Wo sonst aber können sie darauf hoffen, Vereine zu finden, denen sie wenigstens für eine kurze, aber einträgliche Zeit eine spielerische Begabung vortäuschen können?

Niemand sollte sich im Angesicht dieser Gefahren darauf verlassen, daß die Initiative von FIFA und UEFA bereits am Einspruch der EU-Kommission scheitert. Der deutsche Gesetzgeber sollte sich schon aus seiner besonderen historischen Verantwortung heraus frühzeitig Gedanken machen, hier gegebenenfalls eigene, auch unkonventionelle Wege zu gehen. So wie der Spitzensport schon in den Zeiten eines ungebrochenen ius sanguinis das Verständnis für die nunmehr wirksamen Erleichterungen in der Einbürgerung vorbereitet hat, könnte er wiederum zu einem Trendsetter werden: Warum sollte es nicht möglich sein, im Fußball einen Anfang zu wagen und bislang als Ausländer geltenden Profis wenigstens für die Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses bei einem deutschen oder auch einem EU-Verein eine Staatsangehörigkeit auf Zeit zu verleihen? Vielleicht könnte ein solcher Vorstoß auch verhärtete Positionen aufbrechen: Für diese Art Doppelpaß müßte sich auch in der Union eine breite Mehrheit finden lassen.


 
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