© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/00 21. Januar 2000

 
Zitate

"‘In Berlin können wir uns eben den Luxus leisten, nur mit Türken zusammen zu sein’, sagt der 22 Jahre alte Bankkaufmann. ‘Wir müssen uns nicht die Mühe machen, unsere Gefühle und unsere Mentalität den Deutschen zu erklären.’ (…) Marat Yalcin ist in Berlin-Wedding zur Schule gegangen, in eine Klasse, in der es fast kein einziges deutsches Kind gab. Türkisch zu sein, in einer türkischen Klasse, in einem Berliner Bezirk, in dem rund dreißig Prozent Ausländer wohnen, war für ihn ganz alltäglich. Inzwischen ist er Angestellter in einer Bank, einer türkischen."

Dilek Güngör in einer Reportage für die "Berliner Zeitung" vom 14. Januar 2000

 

 

"Wenn der Baden-Württemberger Fritz Kuhn und die Berlinerin Renate Künast Frau Röstel und Frau Radcke den Parteivorsitz abnehmen werden, dann tun sie das, weil Joschka Fischer es so will. In einer brutalen Offenheit, die keine andere Partei sich erlauben könnte, hat der heimliche Vorsitzende deutlich gemacht, daß er – jenseits aller Strukturen und Verfahren – das Sagen hat. Stellt man die Tatsache in Rechnung, daß die Grünen auch aus dem Milieu der K-Gruppen erwuchsen, ist das nicht ohne Ironie: Sie sind heute gewissermaßen eine Ein-Mann-Kaderpartei. (…) Schaut man sich im Lande um, stellt man eher fest, daß die Grünen nicht nur keine Vordenker in der Gesellschaft, sondern in der Gesellschaft fast gar nicht mehr zu erkennen sind. Sie sind ein in die Jahre gekommener Club von beträchtlicher Geschlossenheit, der sich bei den Jüngeren einer recht bescheidenen Beliebtheit erfreut."

Thomas Schmid in der "Welt" vom 15. Januar 2000

 

 

"Wie will man dem normalen Bürger klarmachen, daß eben diejenigen, die Gesetze machen, gleichzeitig vorhaben, sie zu brechen? Man sieht nicht, zumal Kohl schon wieder bräsig dasitzt und weiter den Macher spielen will, was ein Aufschub des zweifellos nötigen Rücktritts Wolfgang Schäubles noch nützen soll. Er hat sich genügend diskreditiert, da gibt es für ihn nicht einmal mehr die Chance, sich selbst in Ordnung zu bringen. Seine Uhr als Partei- und Fraktionsführer der CDU ist abgelaufen. "

Rudolf Augstein im "Spiegel" vom 17. Januar 2000

 

 

"Der Juristenstreit, ob die Europa-Richter mit ihrer Entscheidung gegen das deutsche Grundgesetz ihre Zuständigkeit ‘überdehnt’ haben, wird bald vergessen sein, nachdem auch Verteidigungsminister Scharping den weiblichen Zuwachs für seine Streitkräfte begrüßt hat. Was bleibt, ist die Tendenz zu mehr Macht der Europäischen Union. Was bisher vor allem Ministerialbeamte beim Umsetzen von Richtlinien aus Brüssel bemerken, werden bald immer mehr normale Bürger in ihrem Arbeitsalltag spüren. Das Diskriminierungsverbot im Binnenmarkt – keiner darf schlechter gestellt werden – hat nämlich wie alle Medaillen eine zweite Seite: Landeskinder dürfen von ihren Regierungen und Arbeitgebern in vielen Bereichen nicht mehr bevorzugt und geschützt werden. "

Helmut Markwort im "Focus" vom 17. Januar 2000

 

 

"Hätte die Bundesrepublik Deutschland im Goethe-Jahr 1999 die Chuzpe besessen, Goethe-Institute zu schließen, wenn es die DDR noch gegeben hätte, wenn also ein deutsch-deutscher ‘Kulturkampf’ um das Erbe Goethes zu erwarten gewesen wäre? Eine Nation, die es sich nicht gestattet, einen ihrer größten Söhne zu verehren, wie es in anderen Nationen Brauch und gute Sitte ist, die ihn stattdessen in ihren Bildungseinrichtungen fast wie eine ‘Altlast’ behandeln läßt – eine solche Nation ist noch lange nicht bei sich selbst."

Margarita Mathiopoulos in der "Welt am Sonntag" vom 16. Januar 2000


 
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