© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/00 28. Januar 2000

 
Genossen im Sumpf
von Michael Oelmann

Die SPD kann von Glück sprechen. Wären da nicht Don Kohleone, Kanther und die schwarzen Konten – die Aufmacher der Zeitungen und Nachrichten hätten die Flugaffäre der Düsseldorfer Genossen zum Thema, und nicht die CDU. So aber tummelt sich in den Randmeldungen in der Rubrik "unter ferner mauschelten", irgendwo am Seitenrand, das Neuste von dem traurigen Schauspiel aus NRW. Jetzt kam also heraus: NRW-Finanzminister Schleußer hat doch bei einigen seiner Gratis-Flüge auf Kosten der Landesbank eine "weibliche Begleitung" dabei gehabt. Wie so vieles wurde auch dies heftig zuvor bestritten und geleugnet, bis die harten Fakten auf dem Tisch gekommen sind. Wenn sie denn auf dem Tisch sind. Denn so manches, was in den SPD-getränkten Verwaltungen, Ausschüssen und Ämtern zur Aufklärung landen soll, verschwindet auf nebulöse Weise im Dunstkreis der Parteibuchcliquen.

Erneut der Falschaussage überführt, dürfte Schleußer selbst für NRW-Verhältnisse nun nicht mehr zu halten sein. Sogar Ministerpräsident Clement spricht jetzt von einem politischen Fehler. Also heißt es für Schleußer wohl bald, seine Urlaubsflüge selbst zu zahlen – nämlich mit seinen satten Pensionen und Vorruhestandsgeldern. Und Rau? Der Bundespräsident, dessen Kommunikation mit der Öffentlichkeit mittlerweile über seine Anwälte abgewickelt wird, hat nun offiziell bestätigen lassen, als Ministerpräsident 44 Flüge "für lau", wie’s in Düsseldorf heißt, in Anspruch genommen zu haben. Bei ihm, wie auch bei Schleußer, geht’s jetzt darum, ob sich alle Flüge als geschäftsmäßige Notwendigkeit darstellen lassen. Das werden die doch irgendwie hinbekommen, darf man vermuten.

Nicht wenige – wohl etwas abgehärtet von den Skandalen der letzten Zeit – rümpfen ob dieser Affären die Nase. Sind die Gratisflüge nicht eigentlich nur Kavaliersdelikte vielbeschäftigter Politmanager? Kann man den Kabinettsangehörigen eines Landes, größer als die Niederlande, vorwerfen, mit Privatjets ein wenig auf wichtig zu machen? Nein, kann man nicht. Wohl aber, wenn es sich dabei um Zuwendungen einer quasi-Tochter des Landes handelt, deren Kontrolle genau diesen begünstigten Personen obliegt. Für Politiker, und insbesondere Repräsentanten des Staates, haben eben doch höhere moralische Regeln zu gelten, als für den Durchschnittsbürger. Auch wenn sich die heutige Politikerkaste so gern als demokratischer Durchschnitt durch die Gesellschaft versteht (ehedem ein Euphemismus, der nichts Gutes ahnen läßt): in der Moral und Seriosität darf dies doch wohl nicht gelten.


 
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