© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/00 28. Januar 2000

 
Hans Leyendecker
Findiges Trüffelschwein
von Thorsten Thaler

Rudolf Augstein wußte, warum er ihn partout nicht gehen lassen wollte. Der Spiegel-Herausgeber setzte alle Hebel in Bewegung, um eine seiner besten Spürnasen nicht an die Konkurrenz zu verlieren. Doch Hans Leyendecker, damals Ressortleiter für besondere Aufgaben, hatte sich entschieden. Zu groß war seit dem Amtsantritt von Chefredakteur Stefan Aust die Entfremdung von dem Magazin geworden, dem er 18 Jahre lang treue und vor allem auflagenfördernde Dienste geleistet hatte. Am Ende konnte der vom Branchendienst Kress-Report  als "Chef-Investigator" des Spiegel   geadelte Hans Leyendecker nur mit Hilfe des Rechtsanwalts und früheren Spiegel-Justitiars Michael Nesselhauf zum 30. Juni 1997 das Blatt verlassen – eineinhalb Jahre vor Ablauf seines Vertrages.

Seither arbeitet der heute 50jährige Leyendecker als Leitender Politischer Redakteur für die Süddeutsche Zeitung, und sein Name ziert so manchen Blattaufmacher. Richtig ins Rampenlicht rückte er jedoch erst wieder Ende vorigen Jahres, als er mit seinen Recherchen zur Spendenaffäre der CDU einen der größten Skandale der Bundesrepublik aufzudecken half. Für Hans Leyendecker keine neue Situation: Bereits beim Spiegel  gehörte er zu den findigsten "Trüffelschweinen" seiner Zunft. Ob Parteispenden, Flick-Affäre, Waffengeschäfte, Plutoniumschmuggel oder die Steueraffäre Graf – stets steckte Leyendecker mittendrin in den Recherchen, und meist war er seinen Kollegen um die eine entscheidende Information voraus.

Sein Wissen aus den achtziger Jahren über die dunklen Spendenkanäle der Union und seine ebenso zahlreichen wie zuverlässigen Quellen helfen ihm noch heute. "Die Parteispenden-Affäre und die Flick-Affäre haben mich über acht Jahre meines Lebens begleitet. Eigentlich dachte ich, daß das vorbei sei. Nun bin ich überrascht über das déjà-vu-Erlebnis", bekannte Leyendecker in einem Zeitungsinterview.

Der Flick-Skandal sei vom Umfang her zwar viel größer gewesen. "Aber politisch haben wir eine neue Situation, weil man geschworen hatte, daß es nicht wieder passiert. Dadurch, daß es eine Wiederholungstat ist, bekommt die neue Geschichte ihre Bedeutung", so Leyendecker. Der Titel seiner ersten Enthüllungsgeschichte im Spiegel ("Wohin flossen die Flick-Millionen?") ließe sich heute leicht abändern in "Woher stammen Kohls Millionen?"

Daß Leyendecker nicht nur um seine Stärken weiß, sondern auch seine Schwächen kennt, macht ihn in einem von Geltungssucht geprägten Gewerbe sympathisch. So versteht er sich weder als oberschlauer Leitartikler noch als feuilletonistische Edelfeder. Sein Prinzip beim Schreiben ist entsprechend einfach: "Ich hab’ früher Angst gehabt vorm Schreiben, ich schreib’ heute richtig gern. Wie es in den Strafraum kommt, so fliegt es raus."


 
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