© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/00 28. Januar 2000


Urteil: Städte und Gemeinden dürfen sich das Halten von "Kampfhunden" teuer bezahlen lassen
Ein Pitbull ist keine Kampfmaschine
Gerhard Quast

Neunzig Mark belief sich die Hundesteuer der Stadt Roßlau, als Rüdiger Stach sich 1994 einen Bullterrier ins Haus holte. Daß es sich bei dem Tier um einen "Kampfhund" handelte, war ihm dabei nicht bewußt. Die Freude über das Tier wurde jedoch schnell getrübt: Im gleichen Jahr beschloß der Rat der Stadt eine neue Hundesteuersatzung, nach der Halter von "Kampfhunden" zukünftig eine erhöhte Hundesteuer zu zahlen hätten. In der neuen Satzung werden Kampfhunde als Hunde definiert, "bei denen nach ihrer besonderen Veranlagung, Erziehung und/oder Charaktereigenschaft die erhöhte Gefahr einer Verletzung von Personen besteht oder von denen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen kann".

Zusätzlich nennt die Roßlauer Hundesteuersatzung aber auch eine Liste von zwölf Hunderassen, die nach Ansicht der Stadtväter dem Komplex "Kampfhunde" zuzuordnen seien, ohne daß es auf den Nachweis der zuvor genannten Eigenschaften im Einzelfall ankomme – darunter auch Bullterrier. Entsprechend hoch wurde der Bullterrier der Familie Stach eingruppiert: Der Steuerbescheid für 1995 lautete über 720 Mark.

Gegen diese "Kampfhundesteuer" klagte der Hundehalter vor dem Verwaltungsgericht Dessau – und bekam Recht. Auch das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt entschied in seinem Berufungsurteil vom 18. März 1998 zugunsten des Klägers und hob den Steuerbescheid auf. Das Magdeburger Gericht begründete dies damit, daß der Kläger den Hund bereits vor Erlaß der Hundesteuersatzung angeschafft hatte und der erhöhte Steuersatz gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoße. Denn die Satzung klassifiziert zwar Bullterrier pauschal als gefährliche Hunde, nicht jedoch Dobermann, Rottweiler und Schäferhund.

Auch außerfiskalische Zwecke sind genehmigt

Vergangene Woche entschied nun das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Berlin, daß eine erhöhte Steuer für "Kampfhunde" doch zulässig sei (Az: 11 C 8.99). Denn es sei unbestritten, daß eine Gemeinde mit der Hundesteuer auch außerfiskalische Zwecke verfolgen dürfe, so etwa die allgemeine Eindämmung der Hundehaltung. Auch der mit der "Kampfhundesteuer" verfolgte Lenkungszweck sei von der Steuerkompetenz der Gemeinde noch gedeckt, da zum einen die Besteuerung mit monatlich 60 Mark nicht so hoch sei, daß sie einem Verbot der Haltung dieser Hunde im Ergebnis gleichkäme, zum anderen könne sich die Abgrenzung der zu den "Kampfhunden" zählenden Rassen auch auf sachliche Gesichtspunkte stützen, so daß kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliege. Die bloße Zugehörigkeit eines Tieres zu einer bestimmten Rasse mag zwar für sich gesehen noch nicht zu dessen akuter Gefährlichkeit führen. Auf der anderen Seite seien bei den "Kampfhunderassen" gezielt solche Eigenschaften gezüchtet worden, die die Kampfkraft erhöhten, so das BVerwG in seinem Urteil. Es sei kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, wenn eine Gemeinde durch eine erhöhte Steuer darauf Einfluß nehmen wolle, daß die Verbreitung von Hunden, deren Züchtungspotential für aggressives Verhalten besonders geeignet sei, eingedämmt werde.

Auf wenig Verständnis ist diese Entscheidung bei Tierschützern gestoßen. "Das Urteil stimmt traurig", so der Präsident des Tierschutzbundes, Wolfgang Apel. "Eine Rasse ‘Kampfhund’ gibt es nicht." Also bleibe nur die Möglichkeit, willkürlich Rassen festzulegen, die die Steuerkriterien erfüllen. Mit einer solchen Festlegung würden jedoch Tausende verantwortungsvoller Halter und deren Hunde diskriminiert, ohne daß dafür Anlaß bestehe. Das eigentliche Problem sei nicht die Masse der Hundeliebhaber, sondern die kleine Zahl verantwortungsloser Züchter und Halter, die Hunde "zu Kampfmaschinen machen". Diesem Mißstand komme man aber nicht dadurch bei, daß "willkürlich" Hunderassen diskriminiert würden.

Apel plädiert statt dessen für eine "Rückkehr zur Sachlichkeit". Nicht po-pulistische Einzelmaßnahmen seien erforderlich, sondern eine problemorientierte Lösung. Einen sinnvollen Beitrag dazu könne ein Heimtierzuchtgesetz leisten, das die vorhandenen Gesetzeslücken schließe. Außerdem verweist Apel auf das Tierschutzgesetz, das das Ausbilden, Abrichten und Züchten von Tieren auf Aggressivität eindeutig verbiete. Zudem mache die Einführung einer "Kampfhundesteuer" die in Verruf geratenen Hunderassen erst recht zu einem Statussymbol. Verantwortungslosen Haltern und Züchtern könne man aber mit Steuern nicht das Handwerk legen.

Die beißwütigsten Hunde wurden noch nicht ermittelt

Wie ein Hund zu einem "Kampfhund" wird – durch Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse oder durch tatsächlich vorhandene Aggressivität –, ist die vieldiskutierte, aber kaum einvernehmlich zu beantwortende Frage. Als "Kampfhunderassen" gelten vor allem American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bull Terrier, Fila Braslileiro, Bull Terrier, Mastiff, Mastino Napoletano, Mastin Español, Kaukasischer Owtscharka, Bordeaux-Dogge, Kuvasz, Dogo Argentino und Rhodesian Ridgeback.

Problematisch sei diese Zuordnung vor allem auch deshalb, weil es bisher keine eindeutige Statistik darüber gibt, welche Rassen am "beißwütigsten" sind, betont Dorit Feddersen-Petersen vom Institut für Haustierkunde der Universität Kiel. Daß eine Untersuchung des Deutschen Städtetages in 282 Städten an erster Stelle der "auffällig" gewordenen Hunde den Schäferhund nennt – gefolgt von Mischlingen, Rottweiler, Dobermann und Dogge –, spricht jedenfalls so lange nicht für die These von den besonders aggressiven "Kampfhunden" wie diese Zahlen nicht in Relation zu der Gesamtzahl der gehaltenen Hunde gesetzt werden kann und zudem nicht zwischen einer zerrissenen Hose und der Tötung eines Menschen unterschieden wird. Feddersen-Petersen kommt deshalb zu dem Schluß, daß "Gefährlichkeit" nicht präventiv an bestimmten Rassen oder Hunden bestimmter Größen, sondern an individuellen Merkmalen festgemacht werden sollte, denn die Variabilität innerhalb der Rassen sei in bezug auf Verhaltensdispositionen groß, und Verhalten entwickle sich zudem in differenzierter Wechselwirkung aus Anlage und Umwelteinflüssen.

Solche Einwürfe stoßen bei Politikern auf taube Ohren – nicht dagegen ein Urteil wie das des BVerwG, das einen unerwarteten Geldregen verspricht: In Berlin gelten 14.000 Hunde als "Kampfhunde". Entsprechend schnell reagierten Politiker der Koalition. SPD-Innenpolitikerin Heidemarie Fischer brachte bereits ein Mindestgebot ins Spiel: "1.000 Mark sollten es schon sein". Und auch CDU-Finanzsenator Peter Kurth findet Gefallen an der "Kampfhundesteuer": "Das ist eine spannende Idee".


 
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