© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/00 28. Januar 2000

 
CD: Pop
Annäherungen
Peter Boßdorf

Das Spiel ist kaum noch zu variieren und eigentlich recht langweilig: Ein Album erscheint, und die Musiker verbergen ihre Identität. Das kann ja so schrecklich viel bedeuten, richtig geheimnisvoll ist das: Will da vielleicht jemand ein philosophisches Fanal setzen und aus der Flüchtigkeit der Beziehung zwischen Künstler und Werk endlich eine Konsequenz ziehen? Denjenigen, die sich unter dem Namen Dopplereffekt einsortieren lassen, ist diese raffinierte Gedankenführung wie auch jede andere zuzutrauen. Da sie sich, obwohl es sich bei ihnen angeblich um Amerikaner handelt, einen deutschen Projektnamen zugelegt haben und das Album noch dazu unter dem sowieso schon schillernden Begriff "Gesamtkunstwerk" (International DeeJay Gigolos/ EFA) firmiert, ist ihnen möglicherweise nach Tiefsinn, vielleicht auch nach einer Ironisierung desselben zumute. In dem lapidaren und fragmentarischen elektronischen Minimalismus der CD ist jegliche Bedeutungsschwere jedoch so hermetisch verborgen, daß es schon flankierender Hinweise auf ihr eventuelles Vorhandensein bedarf, um den Käufertypus des nicht festgelegten Rosinenpickers auf das Produkt auf-merksam zu machen.

Einer dieser Hinweise ist natürlich das Symbol aus Hammer, Sichel und Stern, das im 20. Jahrhundert eine wichtige Rolle gespielt hat und von vielen noch immer mit einem speziellen Totalitarismus in Verbindung gebracht wird. Hier liegt es in einer gewissen Konkurrenz mit dem Hakenkreuz, das ein Rezensent in der taz auch lieber auf dem Cover gesehen hätte, weil durch Dopplereffekt, so seine Erklärung des Mirakels, der Versuch unternommen worden sei, sich vorzustellen, wie Musik klingen würde, wenn Deutschland den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätte. Ganz einfach ist es allerdings nicht, von der CD auf eine solche Eingebung zu kommen, bloß um einer banalen Plausibilität auszuweichen: Denn leider scheint es Dopplereffekt doch schon eher darauf anzulegen, den klinischen Optimismus von Kraftwerk durch literarische Gegenbilder bei musikalischer Affirmation zu brechen. Die Vorstellung löst sich also keinesfalls von einer Musik, die möglich war, lange nachdem Deutschland den Zweiten Weltkrieg verloren hatte.

Die Imaginationskraft der Auch-Amerikaner von Lambchop hingegen widmet sich der eigenen Seite des Atlantiks und kommt daher zu Resultaten, die europäischen Ohren nicht fremd sind. So klingt Musik aus Nash-ville, die vorgibt, diese musikalische Heimat alleine sei noch keine Belastung, wenn nicht nahezu alle dort so wären, wie sie wohl sind. Und so ist auch "Nixon" (City Slang/ Virgin) als eine wie auch immer zu verstehende Hommage an den 37. Präsidenten der USA natürlich nicht infiziert vom Wunschbox-Lebensgefühl amerikanischen Zuschnitts, sondern eine Mischung aus rückwärtsgewandten Popsongs, die so wichtig tun und leider auch mit blubberndem Hintergrundgesang daherkommen wie weiland die von Style Council, und schrägen Balladen, die sich manchmal fast so anhören wie die von Nick Cave und deren Pathos man genau aus diesem Grund ertragen kann. Abwechslungsreicher ist sonst nur noch die Stimme von Kurt Wagner: Klang sie eben noch nach Barry White, so ist sie auch schon bei John Cale angelangt, um bei etwas zu enden, was vielleicht ein Tom Waits vor dem Stimmbruch sein könnte. Dabei haben offenkundig Musiker sehr viel Freude an der Vielfalt ihrer Ausdrucksmöglichkeiten. Doch in Beliebigkeit endet es hier nicht.


 
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