© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/00 28. Januar 2000

 
Holocaust: David Irving klagt gegen amerikanische Publizistin
Ohne Anwalt vor Gericht
Jochen Arp

Für die einen war er ein Historiker, der etwa mit seiner Hitler-Biographie "die beste Studie über den Zweiten Weltkrieg aus deutscher Sicht" geschrieben habe (Gordon A. Craig) oder, wie ein anderer britischer Historiker-Kollege sagte, ein Historiker, den zu ignorieren "kein Historiker sich leisten kann" (John Keegan). Für die anderen hingegen ist er ein "Lügner und Geschichtsfälscher".

Veröffentlichten noch vor zehn und zwanzig Jahren weitverbreitete unverdächtige Zeitungen seine neuen Bücher in Fortsetzungen, und das nicht nur in Deutschland, sondern ebenso in Großbritannien, wird er jetzt, wie die Berichterstatterin der Frankfurter Allgemeinen, Eva Menasse, schreibt, von allen behandelt, "als hätte er die Pest". Und weiter: "Keiner achtet ihn, keiner glaubt ihm, keiner publiziert ihn mehr, alle gehen ihm aus dem Weg."

Und eben diese Ächtung ist der Grund, warum er jetzt seit dem 11. Januar in London vor Gericht steht. Allerdings nicht als Angeklagter, und das obwohl er in den letzten Jahren immer wieder die Existenz von Gaskammern in Konzentrationslagern während des Zweiten Weltkrieges in Zweifel zieht – eine Behauptung, die in Deutschland nach Paragraph 130 Strafgesetzbuch unweigerlich zur Strafverfolgung führt –, sondern weil er eine Autorin und ihren Verlag verklagt hat, die ihn schon 1994 in ihrem Buch einen "Holocaust-Leugner" und einen Hitler-Verehrer genannt hat.

Verfahren wird seit fünf Jahren vorbereitet

David Irving, Autor zahlreicher, in der Qualität unterschiedlicher Bücher über zeitgeschichtliche Themen, hat die Verfasserin des Buches "Denying the Holocaust – The Growing Assault on Truth and Memory", Deborah Lipstadt, wegen Verleumdung und Geschäftsschädigung verklagt. Deborah Lipstadt lehrt an der Universität von Atlanta im US-Bundesstaat Georgia Moderne Judaistik und Holocaust-Forschung. Der Londoner High Court, das oberste Zivilgericht, unter dem Vorsitz von Richter Charles Gray hat die Klage angenommen und den Prozeß auf drei Monate angesetzt. Offenbar wird das Verfahren von beiden Seiten schon seit fünf Jahren vorbereitet. Beide Seiten haben eine große Zahl von Zeugen aufgeboten. Nach englischem Recht muß Frau Lipstadt in dem Prozeß die von ihr aufgestellte Behauptung beweisen, daß Irving tatsächlich historische Quellen fälscht und mit Hilfe solcher Fälschungen den Holocaust bestreitet.

Zwar gibt Irving offenbar zu, daß er die Existenz von Gaskammern leugnet, doch will er damit kein Holocaust-Leugner sein, denn – so seine Definition – ein Holocaust-Leugner sei jemand, der "absichtlich Fakten verdreht und unter Mißachtung aller existierenden historischen Beweise das Verbrechen, das als eines der schlimmsten der Geschichte bekannt ist ... den Massenmord an den Juden, leugnet." Das aber täte er nicht. Wenn er die Existenz von Gaskammern in Zweifel zieht, argumentiert Irving, dann verdrehe er nicht absichtlich Fakten, sondern könne als kritischer Forscher belegen, wovon er spricht.

Nach dem Erscheinen von Frau Lipstadts Buch habe er, Irving, kaum noch Chancen, seine Bücher zu veröffentlichen. Daher seine Klage wegen Geschäftsschädigung. In Kanada und Australien sowie in Deutschland, Italien und Österreich hat Irving wegen "Verbreitung der Auschwitz-Lüge" Einreiseverbot.

Prozeßbeobachter sind der Auffassung, daß es letzten Endes darum geht, in dem Verfahren zu beweisen, ob es im Dritten Reich Gaskammern und die Todesfabriken gab oder nicht. Die Neue Zürcher Zeitung meint dazu, daß der Prozeß Irving contra Lipstadt und deren Verlag, den Penguin-Verlag, bedeute, "daß das Aufgebot internationaler Spezialisten eine einzigartige Gelegenheit bietet, die Auschwitz-Lüge in allen Details zu widerlegen".

Aus der ganzen Welt sind Berichterstatter angereist

David Irving verzichtet auf einen Anwalt und vertritt sich selbst. Prozeßbeobachter bestätigen, daß er sich in der Dokumentenlage hervorragend auskennt. Was von seinen Kritikern bestritten wird, ist Irvings Auslegung der Dokumente. Der Berichterstatter der Berliner Morgenpost ist besonders empört darüber, daß nach seinen Worten Irving "die Deutschen freispricht, daß sich die Balken biegen". Für ihn ist schon alles klar, worüber das Gericht erst urteilen muß, wenn er schreibt: "Es steht fest: er lügt."

International genießt der Prozeß größtes Interesse. Schon vor beginn des Verfahrens meinte die Jerusalem Post, dieses Verfahren werde der "medial meist beachtete Holocaust-Prozeß seit Eichmann" werden. Aus der ganzen Welt sind Berichterstatter angereist. In den wenigen deutschen Medien, die bislang darüber berichtet haben, ist Irving bereits verurteilt. Er wird entweder als Narr bezeichnet, gleich jenen, die heute noch der Meinung sein sollten, daß die Erde eine Scheibe ist, als Fälscher, Rechtsradikaler, Nazi, als "wildgewordener Provokateur".

Der Prozeß, von der FAZ als "historisch-juristischer Paukenschlag" bezeichnet, wird von manchen Beobachtern mit Unbehagen betrachtet. Zwar sind sich die Irving-Kritiker darin einig, daß er Unrecht hat, doch, so wird der Leiter des Simon-Wiesenthal-Centers in Israel zitiert, ist man vor Gericht immer auch in Gefahr zu verlieren, wenn das in diesem Falle auch unwahrscheinlich klingt. Der Direktor der Anti-Defamation-League hält wie viele die Tatsache, daß es überhaupt zu dem Verfahren gekommen ist, für "höchst unangenehm und problematisch".Das Gericht in London ist nicht zu beneiden.

 

David Irving wurde am 24. März 1938 in Hutton in der Grafschaft Essex in England als Sohn eines Marineoffiziers geboren. Er studierte Physik, Wirtschaftswissenschaften und Politische Geschichte in London. Als 21jähriger ging er 1959 nach Deutschland und arbeitete ein Jahr lang bei Thyssen als Stahlarbeiter, um seine deutschen Sprachkenntnisse zu verbessern. Nach Abschluß seines Studiums beschäftigte er sich vorwiegend mit zeitgeschichtlichen Fragen und publizierte in englischen Zeitungen und Zeitschriften. 1963 veröffentlichte Irving sein ersten Buch, "Und Deutschlands Städte starben nicht", das ein Bestseller wurde. Seither publizierte er eine Vielzahl weiterer Bücher in verschiedenen Verlagen, darunter Bertelsmann, Hoffmann & Campe und Ullstein. Die meisten Titel wurden zu großen Verkaufserfolgen. Zu den bekanntesten Werken gehören: "Der Untergang Dresdens" (1964), "Die Geheimwaffen des Dritten Reiches" (1968), "Die Tragödie der deutschen Luftwaffe" (1971), "Hitler und seine Feldherren" (1975), "Hitlers Weg zum Krieg" (1978), "Aufstand in Ungarn" (1981), "Rommel" (1978), "Der Nürnberger Prozeß" (1979), "Hitlers Krieg" (1985), "Göring" (1987), "Führer und Reichskanzler: Adolf Hitler" (1989), "Churchill. Kampf um die Macht" (1990), "Deutschlands Ostgrenze" (1990), "Goebbels" (1997).


 
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