© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/00 11. Februar 2000

 
CDU in der Krise: Auf dem rechten Flügel lahmt die Partei
Die Aussichten sind trübe
Paul Rosen

Die CDU gleicht derzeit einem Krebspatienten, dessen Zustand sich schnell verändert. Zwischen lebensbedrohenden Situationen kommt es immer wieder zu Phasen, in denen es besser zu gehen scheint. Und besser ging es der CDU-Führung nach einer erneuten Krisensitzung am 4. Februar in Bonn, obwohl weitere Metastasen des "Systems Kohl" diagnostiziert wurden. Zugleich scheint der CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble, noch Mitte Januar ein zum Rücktritt entschlossener Mann, von seinen Präsidiumsmitgliedern gestärkt worden zu sein.

Doch viele Dramen stehen der Partei noch bevor: In der Bundestagsfraktion rumort es, die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein am 27. Februar erscheinen so gut wie verloren, auf dem Parteitag vom 9. bis 11. April in Essen droht eine gnadenlose Abrechnung mit der "Kohlianer"-Fraktion, und die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai scheinen kaum Aussichten auf Siege zu versprechen. Trübe Aussichten.

Was die CDU jetzt wieder über schwarze Konten, geheime Liechtensteiner Stiftungen, anonyme Millionenspenden und einen Schweizer Banksafe mitteilte, übersteigt nicht nur das Vorstellungsvermögen der Generalsekretärin Angela Merkel, die mit ihrer offenbar echten Naivität immer noch nicht zu begreifen scheint, mit welchen krummen Methoden in Westdeutschland Politik finanziert wurde. Die neuerliche Aufklärung der Öffentlichkeit über die Finanzstrategien im Ausland erfolgte übrigens nicht aus eigenem Antrieb: Ein hoher CDU-Funktionär berichtete, man habe sich zur Veröffentlichung des Materials entschlossen, weil man damit rechnen müsse, daß einer der Beteiligten die Unterlagen wie stets zuvor der Süddeutschen Zeitung geben werde.

Das Gestrüpp der Finanzierung lichtet sich jetzt wenigstens teilweise. Man wußte bereits seit längerem um die von Helmut Kohl eingesammelten Gelder, die dann vom CDU-Geldverwalter Horst Weyrauch über ein kompliziertes System von Anderkonten wieder in das Rechenwerk der Partei eingeschleust und nicht als Spenden, sondern als "Sonstige Einnahmen" verbucht wurden. Jetzt offenbarten Weyrauch und der ehemalige CDU-Spendensammler Uwe Lüthje, daß sie in den siebziger Jahren über Schweizer Konten Gelder der Staatsbürgerlichen Vereinigungen (Spendenwaschanlagen für Union und FDP) "abwickelten". Unterlagen darüber wurden in einem Safe bei einer Bank in Zürich aufbewahrt. Als die Sache zu heiß wurde, wurden die Unterlagen aus dem Safe vernichtet und die Konten in eine Liechtensteiner Stfitung namens "Norfolk"-Foundation überführt.

Ende der achtziger Jahre, der Flick-Spendenskandal war längst Geschichte, arbeiteten die CDU-Geldbeschaffer wie in alten Tagen: Anonyme Spenden (angeblich von Siemens, was Siemens aber bestreitet) wurden in bar abgeholt und entweder bei der Stiftung eingezahlt oder gleich in Koffern nach Deutschland gebracht. Als in der Schweiz 1992 ein Restbestand von 1,5 Millionen Franken gesichtet wurde, beschloß das aus Weihrauch, Lüthe und Ex-Schatzmeister Walther Leisler Kiep bestehende Spendentrio kurzerhand, die Summe unter sich aufzuteilen. Gründe gab es offenbar genug: "Sondervergütung für Auslandstätigkeiten und Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Flick-Spenden-Skandal" nennt das Vernehmungsprotokoll der CDU.

Ein Problem der Aufklärung besteht nun darin, daß sich Kohl wie schon gewohnt an gar nichts erinnern kann und der ohnehin vom Staatsanwalt verfolgte Kiep abstreitet, überhaupt etwas von Auslandskonten gewußt zu haben. Immerhin bestätigt sich jetzt, daß geheime Gelder des Bundesnachrichtendienstes und des Auswärtigen Amtes zur Untersützung ausländischer Parteien bis 1982 gezahlt wurden. Diese neuen Erkenntnisse wurden von der Partei bereits den Staatsanwaltschaften übergeben, die vielleicht noch mehr Licht in das Dunkel bringen können. Schäuble helfen die Entdeckungen bereits jetzt: Kohl steht als derartig belastet dar, daß dem Altkanzler für Jahre jede Möglichkeit genommen ist, sich noch als "Kanzler der Einheit" oder ähnliches in der Partei oder in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Schäuble ist damit fest als Nachfolger Kohls etabliert, nachdem der Altkanzler bereits Mitte Januar die parteiinternen Schlachten verloren hatte und den Ehrenvorsitz (gleich Sitz im Präsidium) abgeben mußte.

Schäuble glaubt, auch noch in einem anderen Punkt ein Stück vorangekommen zu sein. Es geht um jene mysteriöse Spende des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber, die Schäuble direkt und nicht über den Umweg der damaligen CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister erhalten haben will. Deshalb und wegen seiner mangelnden Erinnerungen an seine Treffen mit Schreiber war Schäuble unter Lügenverdacht geraten. Weyrauch und Lüthje stützten jetzt Schäubles Version, der damit in der CDU wieder ein Stück Glaubwürdigkeit zurückgewonnen haben dürfte.

Damit scheint die CDU – Überraschungen sollte man natürlich nie ausschließen – am Grund ihres Spenden- und Finanzsumpfes angekommen zu sein. Für Schäuble steht bereits fest, daß er im April wieder als Parteivorsitzender kandidieren will.

Bei den Wahlen zum Präsidium und Vorstand dürfte dann die große Abrechnung mit den Kohl-Freunden erfolgen. Norbert Blüm zittert bereits, ob er trotz seiner Absetzbewegungen vom Altkanzler noch ins Präsidium gewählt wird.

Doch aus dem Tief kommt die CDU nicht heraus, wenn sie nur Personal auswechselt. Jetzt, nachdem der rechte Parteiflügel durch den parallelen Hessen-Skandal faktisch nicht mehr existiert, hat die CDU den Wählern nur noch die Schäubles und "Jungen Wilden" zu bieten. Konservative Wähler könnte allenfalls noch die bayerische CSU binden, deren Strahlkraft aber trotz ihres agilen Chefs Edmund Stoiber nicht mehr mit der eines Franz Josef Strauß vergleichbar ist. Die Schäuble-Truppe mag die kommenden Wahlniederlagen überstehen; es kann auch sein, daß die Bundestagsfraktion wieder zur Ruhe kommt. Aber die CDU nach der Krise wird auf dem rechten Flügel lahm sein – und damit eine Entwicklung wie in Österreich möglich machen. Auch wenn nicht absehbar ist, wer in Deutschland die Marktchance nutzen könnte.


 
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