© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/00 11. Februar 2000

 
Megafusion II: Vodafone und Mannesmann sind sich einig
Die "Bastion Deutschland" fällt
Susanne Henrici

Drei Monate dauerte es, bis der britisch-amerikanische Telekom-Konzern Vodafone Airtouch seine erklärte Absicht realisierte, den Düsseldorfer Mobilfunkriesen Mannesmann AG zu übernehmen. In dieser Zeit gaben die Deutschen 700 Millionen Mark aus, um in einer beispiellosen Propagandaschlacht die angedrohte feindliche Übernahme durch die Angelsachsen zu verhindern. Doch die investierten ihrerseits 1,3 Milliarden in eine Werbekampagne, um die Mannesmann-Anteilseigner zum Aktientausch zu bewegen. Mit geschickten Schachzügen versuchte der Düsseldorfer Vorstandschef Klaus Esser diese Attacken zu parieren. Als jedoch die von ihm eingefädelten Verhandlungen mit dem Mischkonzern Vivendi, mit Bertelsmann und AOL Europe scheiterten, weil es Vodafon-Boß Chris Gent gelungen war, Vivendi mit der Zusage eines lukrativen Anteils an der deutschen Beute zu ködern, mußte Esser die Segel streichen. Am Ende stand sein ironischer Kommentar, daß durch die Übernahme an deutschen Standorten kein Arbeitsplatz verloren gehen werde – mit einer Ausnahme. Denn Essers Tage als Vorstandsvorsitzender sind gezählt. Das wiederum ist auch fast das einzige, was über die Zukunftsfolgen dieser Megafusion, aus der der nach Microsoft, General Electric und Cisco Systems mit 700 Milliarden Börsenbewertung viertgrößte Konzern der Welt hervorgeht, definitiv feststeht. Ob es nicht doch zu spürbaren Entlassungen bei den 115.000 Arbeitnehmern kommt, die nicht in der börsennotierten Telekom-Sparte beschäftigt sind, sondern in den "alten Industrien", den demnächst abzuspaltenden Maschinenbau- und Automobilzulieferungssegmenten, ist durchaus ungewiß. Ob die Verschmelzung der Unternehmenskulturen gelingt, und sich nicht schon bald jene Tristesse einstellt, die nach dem Muster des DaimlerChrysler-Deals jede (Aktien-) Phantasie erstickt, ob Brüsseler Wettbewerbshürden genommen werden können, ob die von Esser so erfolgreich forcierte Integration von Festnetz/Internet und Mobilfunk in Gents Regie nicht an Dynamik verliert – Ungewißheiten, wohin man blickt.

Die bundesdeutsche Wirtschaftspresse hat inzwischen aber signalisiert, daß das weitere Schicksal des neuen Konzerns zu der Sorte Peanuts gehört, für die sich nur Leute interessieren, die ohnehin stets am Katzentisch speisen. Worum es eigentlich gehe, sei die Symbolwirkung. Mannesmann – "ein Wendepunkt für Europa", jubelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Vodafones Sieg zeige, daß die Zeiten endlich vorbei seien, als sich kontinentaleuropäische Firmen gegen ausländische Übernahmen abschotten konnten. Mit Mannesmann sei deswegen praktisch die "Bastion Deutschland" gefallen. Nun werde endlich ernst gemacht mit der angelsächsischen Shareholder-Value-Philosophie, dem Primat der Aktionärs- vor den Arbeiternehmerinteressen und sonstigen kostspieligen Rücksichten auf das antiquierte Gemeinwohl. Der Fall Mannesmann zeige, daß nicht mehr national gedacht werde, zumal auch die Schröder-Regierung aus dem Holzmann-Absturz gelernt und auf jeden Staatsinterventionismus verzichtet hat.

Bundesfinanzminister Hans Eichel hat in Euro am Sonntag den Preis dieser neuen Freiheit genannt. Wie einst der Wirtschaftsliberale Graf Lambsdorff möchte er im Einklang mit Arbeitgebern und Bankenverband den Reformprozeß auf den Arbeits- und Produktmärkten eilig vorantreiben. Und die rot-grünen Pläne zu Steuerreform und Haushaltskonsolidierung umsetzen. Was Eichels Wählerklientel freilich mit Sozialabbau und bleibend hoher Arbeitslosigkeit gleichsetzt. Reformiere hier nicht ein Sozialdemokrat die soziale Marktwirtschaft, bis von ihr nichts mehr übrig sei? Schaffe er nicht die "Freiräume" für den "Raubtierkapitalismus", vor dem sein Parteifreund Helmut Schmidt warnt? Oder öffnet er einfach nur das Tor zu blühenden Landschaften, von denen Globalisierungsmuffel nichts ahnen? Warten wir es ab. Nichts ist spannender als Wirtschaft!


 
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