© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/00 11. Februar 2000

 
Nachruf: Zum Tod des französischen Regisseurs Claude Autant-Lara
Verteidiger der heimischen Kultur
Werner Olles

Die Cineasten in aller Welt verdanken dem am 5. August 1903 in Luzarches geborenen Filmregisseur, Autor und Kulturpolitiker Claude Autant-Lara eine Reihe bedeutender Meisterwerke des Kinos. Begonnen hatte der aus der Schule der französischen Avantgardisten stammende Künstler mit gewagten Experimentalfilmen, aber erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges konnte er sich endgültig durchsetzen. Es entstanden so wundervolle Filme wie "Teufel im Leib" ("Le diable au corps", 1946), "Die rote Herberge" ("L’auberge", 1951), "Erwachende Herzen" (Le blÇ en herbe", 1953), und "Rot und schwarz" ("Rouge et noir", 1954).

Besonders "Teufel im Leib", die Geschichte der unverstandenen, obsessiven Liebe einer reifen, verheirateten Frau zu einem schüchternen, verliebten Jüngling avancierte in der Nachkriegszeit zum Kultfilm der jungen Existentialisten und verschaffte Autant-Lara den Ruf, ein Regisseur voller Sensibilität und Zartheit zu sein. Einem ähnlich gelagerten Thema widmete er sich auch mit der Verfilmung von Colettes Erfolgsroman "Erwachende Herzen".

Nachdem er 1961 mit "Der Graf von Monte Christo" noch einmal einen Riesenerfolg an den Kinokassen hatte, wurde es in den kommenden Jahren ruhiger um ihn. Erst Ende der achtziger Jahre – Autant-Lara war inzwischen Jean-Marie Le Pens Front National beigetreten – publizierte er sein für ziemliches Aufsehen sorgendes Buch "Les Fourgons de Malheurs", in dem er die Emigration im Paris der Zwischenkriegszeit, aber auch seine eigene linke und antifaschistische Vergangenheit kritisch und voller Ironie unter die Lupe nahm.

Als er dann im April 1989 in die französische Akademie der Schönen Künste aufgenommen wurde, kam es zum Eklat. In einer Rede anläßlich seiner Aufnahme in die Akademie wandte er sich gegen die Dominanz der US-Kultur und erklärte, daß "kein Werk eine Chance auf Weltgeltung hat, das sich nicht zuerst von der Muttermilch, vom guten Saft des Volkstums, des Nationalen nährte".

Wenige Monate später, der alte Herr war nunmehr sechsundachtzig, hielt er als amtierender Alterspräsident des Europäischen Parlaments, dem er als gerade frisch gewählter französischer Abgeordneter der Fraktion der Euro-Rechten angehörte, die Antrittsrede. Mit scharfen Worten und in geschliffener Diktion geißelte er erneut den "US-amerikanischen Kulturimperialismus, dessen Gift die Seelen, Herzen und Köpfe der Europäer in immer stärkerem Ausmaße verseucht". Nach dieser mutigen Abrechnung mit der "barbarischen Invasion der USA" gegen die europäische Kultur führten die Fraktionen der Linken, Liberalen und Christdemokraten im Verein mit Medien und Kulturschickeria eine beispiellose Kampagne ("primitiver Antisemitismus", "populistische Entgleisung") gegen ihn, unter deren Druck, dem der feingeistige Künstler psychisch und physisch nicht mehr gewachsen war, er schließlich sein Mandat als Abgeordneter zurückgab.

Am 5. Februar starb Claude Autant-Lara nach langer Krankheit im Alter von sechsundneunzig Jahren in einer Klinik in Antibes. Kulturministerin Catherine Trautmann würdigte Autant-Lara als einen der "größten französischen Filmemacher in der Nachkriegszeit".


 
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