© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/00 18. Februar 2000


Mit zweierlei Maß
von Volker König

Gestandene Mannsbilder lieben den Dampf einer ordentlichen Havanna, nehmen eine Frau nach der anderen und schätzen keine Lektüre höher als die jenes geistig allzuoft zwischen Schweinebucht und Kuba dümpelnden Ernest Hemingways, der sich im realen Leben vor allem auf das Abschlachten hilfloser Tiere und Kriegsgefangener verstand. So geht es auch unserem Bundeskanzler.

Nach Kuba steht Gerhard Schöder aber nicht nur der literarische Sinn. Als er 1985 erstmals den kubanischen Diktator besuchte, bekam er seine erste Kiste Edelzigarren der Marke Cohiba von Fidel Castro geschenkt. 1986, bei einem neuerlichen Besuch auf der Karibikinsel, versicherte er, "sollte es zu einer SPD-geführten Bundesregierung kommen, werden wir Sie nach Deutschland einladen". Ein Mann, ein Wort. Zur Weltausstellung Expo 2000 in Hannover hat der ergraute Herrscher der sozialistischen Bananenrepublik nun eine offizielle Einladung aus Berlin erhalten. Am 26. Juli will der fidele Fidel in Hannover mit dabei sein, wenn sich Kuba beim "Nationentag" in Halle 21 präsentiert.

Man lasse es sich auf der Zunge zergehen: Der Bundeskanzler höchstpersönlich kann es kaum abwarten, dem Diktator eines totalitären Regimes den roten Begrüßungsteppich auszurollen! Wo bleibt angesichts dieser Einladung eigentlich der empörte Aufschrei der Medien? Wären angesichts dieser Entgleisung nicht EU-Sanktionen gegen die Bundesrepublik fällig? Gehörten jetzt nicht alle Kontakte der europäischen Nachbarländer zur BRD eingefroren, die diplomatischen Beziehungen auf Eis gelegt?

Nach Castros Machtübernahme im Jahr 1959 hatte der kommunistische Menschenfreund nichts eiligeres zu tun, als sich mit der "Direccion General de Contra-Intelligencia" eine "rote Gestapo" – so nennen‘s die Kubaner selbst – zu schaffen, die sich dem Aufspüren, Internieren und Eliminieren politisch Andersdenkender widmete. Seit 1959 wurden mehr als 100.000 Kubaner in Lager, Gefängnisse oder Arbeitslager gesperrt, mindestens 17.000 von ihnen ermorden. 1978 wurde das Gesetz über "Gefährlichkeit v o r begangenem Delikt" verkündet, das dem Regime die Legitimation verschaffte, einen Kubaner schon dann zu verhaften, wenn die Behörden ihn als Gefahr für die Staatssicherheit einschätzten.

Ein altes Sprichwort sagt, daß man einen Menschen am besten an seinen Freunden erkennt. Aber wenn ein deutscher Kanzler die Wahl hat zwischen einem Parteivorsitzenden der österreichischen Freiheitlichen und einem maximo leader (zu deutsch: "großen Führer") der extremen Linken, dann entscheidet er sich selbstverständlich für letzteren. Denn so ist es guter Brauch unter politisch Korrekten und anderen Pharisäern.


 
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