© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/00 18. Februar 2000

 
Spanien: Vier Tage Bürgerkrieg in den Problemvierteln von El Ejido
Lokaler Kampf der Kulturen
Imbritt Stüwe

Die Bilder gleichen sich. Straßenkampfszenen, brennende Läden, von Wurfgeschossen eingedeckte Polizisten. In den Vierteln englischer und französischer Großstädte mit hohem Ausländeranteil gehört dies seit Jahren zum ritualisierten Alltag. Im November 1999 erlebte der türkisch-arabisch geprägte Kopenhagener Stadtteil Nørrebro eine Bürgerkriegsnacht, die an US-amerikanische Rassenunruhen erinnerte. Deutschland hat mit den gewalttätigen Kurdendemonstrationen eine Ahnung davon bekommen, wie es auf der Schattenseite der augenblicklich so penetrant propagierten europäischen "Wertegemeinschaft" aussieht. Und nun El Ejido in der südostspanischen Provinz Almería. Wer das Konfliktpotential dort kennt, wundert sich nur, warum diese Region erst jetzt ihren Beitrag zur Zerstörung multikultureller Illusionen liefert. Schließlich war hier wie in der "Kasbah" von Roubaix bei Lille, in Lyon, Brixton oder Nørrebro alles konzentriert, um einen lokalen "clash" der Kulturen zu zünden. Das 55.000 Einwohner zählende El Ejido weist einen Ausländeranteil von 25 Prozent auf. Der spanische Durchschnitt liegt hingegen bei zwei Prozent. Die Ausländermassierung ist eine Folge des andalusischen Wirtschaftsaufschwungs, der um El Ejido herum ein europäisches Zentrum des Gemüseanbaus entstehen ließ. Die Verwandlung des andalusischen Armenhauses gelang jedoch nur mit Methoden, die dem finstersten Manchesterkapitalismus zur Ehre gereichen. Die Knochenarbeit auf den Feldern und in den bis zu 50 Grad heißen Gewächshäusern verrichten seit zehn Jahren marrokanische Saisonarbeiter.Diese Muslime leben, miserabel bezahlt und menschenunwürdig untergebracht, streng separiert von der einheimischen katholischen Bevölkerung. Der übliche europäische Standard in puncto "Ausländerintegration" hat sich in Spanien noch nicht etabliert. Ob eine mit hohen Sozialkosten ins Werk gesetzte "Integration" die Akzeptanz der "Moros" erhöht und die auf beiden Seiten vorhandene Gewaltbereitschaft vermindert haben würde, ist jedoch mehr als fraglich. Die Kriminalitätsrate unter "Einwanderern" haben jedenfalls auch Kohorten von Sozialarbeitern im Osten von Paris oder in Berlin-Kreuzberg nicht gesenkt.

Die jetzige Gewaltexplosion löste der Mord an einer jungen Spanierin aus, den ein angeblich geistesgestörter Marrokaner beging. Und das, kurz nachdem zwei spanische Bauern auf ihren Feldern von "Moros" enthauptet wurden. Dies waren nur die grausamen Schlußakkorde in einer endlosen Kette von Einbrüchen, Raubüberfällen und sexuellen Belästigungen, die von den wie unter Quarantäne lebenden Saisonarbeitern ausging. Am 5. Februar begann dann die Gegenwehr der Einheimischen. El Ejido erlebte "vier Tage Krieg", wie die spanische und französische Presse es nannte, die diesen Ausnahmezustand als "rassistisches Rasen" und "Immigrantenhatz" beschrieb und damit die entsprechend einseitig moralisierende bundesdeutsche Berichterstattung präludierte.

Was im Unterschied zu Ausschreitungen in "Problemvierteln" europäischer Metropolen in der spanischen Provinz fast neu war, ist die direkte Konfrontation zwischen Einheimischen und Fremden. "Fast" neu, weil es diese atypische Konstellation ja immerhin in Rostock und Hoyerswerda schon gab, nur zieht die in Sachen Spanien ohnehin auffallend reservierte linksliberale Presse hier keine Vergleiche. Wohl auch deshalb nicht, weil im Kosovo, wo die "Ethnien" ebenfalls unvermittelt aufeinandertreffen und wo nach den jüngsten albanisch-serbischen Konflikten die Bündnisgrünen gerade Abschied vom multikulturellen Kosovo nehmen und die von ihnen lange verteufelte "Kantonisierung" empfehlen.

Für Spanien will man an den auslaufenden Vermischungsmodellen dagegen noch festhalten: Man müsse die Einheimischen an das Zusammenleben mit Fremden gewöhnen, folglich deren Anteil erhöhen und sie per "Integration" genauso disziplinieren wie die unbotmäßigen Spanier. Ein im November verabschiedetes Ausländergesetz gewährt den Eingewanderten deshalb Zugang zum spanischen Erziehungs- und Sozialsystem sowie die Möglichkeit des Familiennachzugs. Die oppositionellen Sozialisten versprechen wenige Wochen vor den Nationalwahlen und angesichts der bis 2003 zu erwartenden 1,2 Millionen neuen Saisonarbeiter eine weitere Liberalisierung des Aufenthaltsrechts. Sie haben mit Blick auf El Ejido auch ein Wahlkampfthema gefunden, um den ständig vor "Haider" warnenden konservativen Ministerpräsidenten Aznar an den autochthonen "Rassismus" zu erinnern.

Unter Berufung auf das irrationale "Schicksal" der Einwanderung versucht die multikulturelle Lobby also das Tor nach Afrika sperrangelweit zu öffnen, wo laut tageszeitung 75 Prozent allein der Marokkaner zum Sprung über die Meerenge von Gibraltar bereitstehen.


 
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