© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/00 03. März 2000


Inder sind billiger
von Jörg Fischer

Im Vorfeld der CeBIT in Hannover forderte der Bundesverband der deutschen Computerbranche (BITKOM) eine Öffnung der deutschen Grenzen für 30.000 Informatiker aus Nicht-EU-Ländern. Bundesweit fehlten laut BITKOM-Vize Willi Berchthold 75.000 Fachkräfte. "Wir müssen schnell handeln und das Potential dieser Branche ausschöpfen, indem wir qualifizierte Arbeitskräfte hierher holen", sagte BITKOM-Präsident Volker Jung. In diesem Umfeld würden dann zusätzlich 100.000 weitere "Jobs" entstehen. In Ländern wie Indien gebe es gut ausgebildete junge Leute. "Was in den 60er Jahren die Türken und Italiener für die Industriegesellschaft waren, sind heute diese Spezialisten für die Informationsgesellschaft", unterstrich Berchtold.

Kanzler Schröder, immer für einen Mediencoup gut, griff diese Forderungen willig auf und bediente damit gleich zwei Seiten: Die "Neue Mitte" kann ihn nun auch als "PC-Mann" bewundern. Andererseits werden auch die Multi-Kulti-Apostel beglückt, denn das "Boot" ist ja nicht "voll". Doch so einfach ist die Sache nicht. In einer Marktwirtschaft regelt sich die Knappheit über den Preis. Daher kann es "Mangel" nie geben, denn der Preis für das knappe Gut – hier Fachkräfte – steigt. EU-weit gibt es sicher Fachkräfte, doch der "Preis" ist hoch: Ein Engländer verlangt mehr als ein Inder. Ausbildung kostet Geld, vor allem Steuergeld. Doch statt in Zukunftsbranchen, investierten die Bundesländer lieber in Forschungsinstitute über "Frauenfragen" oder "Rassismus".

Eine Regelung nur für PC-Profis ist auch aus Wettbewerbsgründen abzulehnen. Wünsche nach Kellnern, Ernte- und Bauarbeitern könnten folgen, die Zeitarbeiter-Branche hat Personalprobleme – bei Löhnen in Höhe des Arbeitslosengeldes verständlich. Die Schrödersche "Green Card" bedeutet zudem eine dauerhafte Einwanderung einschließlich Familiennachzugs; also dürften weit mehr als die 30.000 kommen. Das ist angesichts von vier Millionen Arbeitslosen – darunter qualifizierbare EDV-Kräfte – und der daran geknüpften Integrations- und Infrastrukturfragen selbst bei einer parallelen Fortbildungsoffensive der Industrie nicht verantwortbar. "Das war ein kurzsichtiger Schnellschuß, der zwar die billigste Lösung für die Wirtschaft darstellt, aber schlimme Konsequenzen hat", sagte IG-Metall-Chef Zwickel im ersten Zorn. "Unsere Informatik könnte schnell ausbluten", warnt auch der Generaldirektor von Microsoft in Tschechien und der Slowakei, Jan Mühlfeit. Und Ondrej Neff, der tschechische Informatikguru und Herausgeber einer Internet-Zeitung befürchtet: "Wir bleiben auf diese Weise ewig ein rückständiges Land." Doch der Kanzler meint es ernst, sehr ernst.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen