© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/00 03. März 2000

 
Interview: Trutz Graf Kerssenbrock über die Spendenaffäre und die Wahl
"Danke, Helmut Kohl"
Jörg Fischer

Herr Graf Kerssenbrock, Volker Rühe feiert seine 35 Prozent als Erfolg, zu Zeiten von Stoltenberg wurden absolute Mehrheiten angestrebt.

Kerssenbrock: Wir sind Opfer der Spendenaffäre, und das in dramatischer Weise. Wir waren im November nahe dran, selbst wieder eine absolute Mehrheit zu erzielen. Dieser Einbruch ist nun eindeutig auf Helmut Kohl und sein Gefolge zurückzuführen, und insoweit können wir hier nur in ironischer Form "Danke, Helmut Kohl!" sagen. Das hat also mit der strukturellen Mehrheitsperspektive der CDU in Schleswig-Holstein nichts zu tun, die ist weiterhin gegeben.

Nachfolger von Schäuble im Fraktionsvorsitz wird Friedhelm Merz. Was halten Sie von ihm und seiner inhaltlichen Ausrichtung?

Kerssenbrock: Ich halte ihn für eine außerordentlich beglückende Perspektive der Union, auch vom Politik-Stil her. Ich bin der Auffassung, das ist ein seltener Glücksfall, daß da ein solcher Nachfolger bereitsteht.

Die CSU orakelt von einer Linkswende, wenn Frau Merkel den Parteivorsitz übernehmen sollte. Ist ein Übergangskandidat wie Bernhard Vogel ein Ausweg?

Kerssenbrock: Erstens: die CSU soll sich auf ihre eigene personalpolitischen Entscheidungen konzentrieren. Das hier ist allein Sache der CDU und bleibt es auch. Und das zweite ist, ich halte auch nichts von Übergangslösungen, die von niemandem richtig ernst genommen werden und auch nichts bewegen. Und das dritte ist: Wir werden uns entscheiden müssen. Ich sehe zwischen Volker Rühe und Angela Merkel keine brisanten politischen Unterschiede. Sie haben jeweils für sich eine hervorragende Option, wobei ich auch freimütig bin und sage, der Volker Rühe ist uns Schleswig-Holsteinern außerordentlich ans Herz gewachsen, und ich möchte gern, daß er hier in Schleswig-Holstein auch Politik macht.

Rot-Grün ist wegen der Spendenaffäre auf Erfolgskurs. Wie will die CDU wieder inhaltlich punkten?

Kerssenbrock: Erstens glaube ich, daß dieser sogenannte Erfolgskurs von Rot-Grün von vorübergehender Natur sein wird, weil sie in der Sache gar nichts ernsthaftes zu bieten haben. Zweitens ist das schleswig-holsteinische Ergebnis erstaunlich glimpflich, gemessen an dem, was an Skandalen passiert ist. Wir haben für NRW eine wirkliche Perspektive. Und drittens glaube ich, daß wir inhaltlich mit dem, was Angela Merkel als Generalsekretärin eingeleitet hat, auf einem guten Weg sind, der allerdings fortgesetzt werden muß. Wir dürfen uns nicht nur mit neuer Familienpolitik beschäftigen, sondern wir müssen uns auch mit den ordnungspolitischen Anforderungen im Bereich der Steuer- und der Wirtschaftspolitik stärker befassen, um unsere Alternative einer sozialen Marktwirschaft gegenüber dem, was SPD und Grüne im Moment vorführen, überzeugender zu machen.

Überraschend hat der Südschleswigsche Wählerverband knapp über vier Prozent der Stimmen bekommen. Worauf führen Sie das zurück?

Kerssenbrock: Das ist eindeutig darauf zurückzuführen, daß der SSW erstmals auch im Landesteil Holstein kandidiert hat und da Stimmen von Menschen erhalten hat, die mit der Minderheitenpolitik nicht das geringste zu tun haben. Das ist ein offenkundiger Mißbrauch des Privilegs, daß der SSW aufgrund des Kopenhagener Abkommens, das ihn von der Fünf-Prozent-Hürde befreit hat, genießt und in Anspruch genommen hat. Und dieser Mißbrauch muß schnellstens beendet werden.

Sie wollen, daß die landesweite Wählbarkeit wieder rückgängig gemacht wird?

Kerssenbrock: Ja, in der Tat. Ich bin der Meinung, der SSW muß sich entscheiden, ob er Minderheiten-Partei sein will, dann aber auch sich auf Südschleswig beschränken muß und dann eben auch das Privileg der Befreiung von der Fünf-Prozent-Hürde genießen will. Oder ob er als ganz normale Partei behandelt werden will, die Königsmacher bei der Regierungsbildung werden will, aber dann natürlich auch, wie alle anderen Parteien, der Fünf-Prozent-Hürde unterliegen muß.


 
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