© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/00 17. März 2000

 
Spanien: Ex-Franco-Anhänger Aznar gewinnt die absolute Mehrheit
Er kam von ganz rechts
Carlos E. Izquierda

In Spanien ist bei den Parlamentswahlen am 12. März ein kleines Wunder geschehen. Die konservati-ve Volkspartei (PP) von Premier José María Aznar hat mit 44,54 Prozent der Stimmen und damit 183 von 350 Mandaten eine satte absolute Parlamentsmehrheit erreicht.

Zwar dominierte Aznar schon seit Monaten das Politbarometer, und seine konservative Volkspartei (PP) lag in Umfragen stets um die fünf Prozent vor den Sozialisten. Auch beurteilten über die Hälfte der Spanier die politische Lage als zufrieden stellend bis sehr gut. Doch hat keiner in Spanien mit einem solch eindeutigen Ergebnis gerechnet.

Die oppositionellen Sozialisten (PSOE) schwadronierten bis zuletzt von einer "natürlichen" linken Mehrheit in Spanien, die beim letzten Urnengang nur wegen der Skandale um Felipe González knapp unterlegen sei. Siegesgewiß konstruierte sie eine rot-rote Alternative zwischen Sozialisten und den Kommunisten der Vereinigten Linken (IU), um durch Stimmenaddition nach französischem Vorbild die Macht zurückzuerobern. Dieser Versuch einer Volksfront wurde vom Wähler regelrecht abgestraft. Nur noch 34 Prozent der Stimmen und damit lediglich 125 Abgeordnete, 16 weniger als bisher, waren das Resultat für die PSOE. Ihr Spitzenkandidat Joaquin Almunia trat noch in der Wahlnacht von seinem Amt als Parteichef zurück. Die verbündeten Kommunisten sanken sogar auf 5,5 Prozent ab und verloren dadurch 13 Sitze, womit sie nur noch mit acht Abgeordneten im Parlament vertreten sind.

Alles in allem kann von einem Rechtsruck in Spanien gesprochen werden, denn neben der Volkspartei konnten sich die bürgerlichen Regionalparteien ebenfalls behaupten oder verbessern: die katalanische Partei "Konvergenz und Einheit" (CiU) von Jordi Pujol erhielt 15 Mandate und wurde zur drittstärksten Fraktion; die gemäßigte Baskische Nationalpartei errang sieben Sitze (plus zwei) und die rechte Koalition der Kanarischen Inseln konnte ihre vier Sitze halten.

Andere Parteien spielten keine Rolle. Insbesondere konnte der populistische Bürgermeister von Marbella und Präsident des Fussballclubs Atletico Madrid, Jesus Gil, mit seiner Unabhängigen Liberalen Gruppe (GIL) nicht punkten.

Die rechte Wählerschaft wird in Spanien vollkommen von der Volkspartei absorbiert. Es gibt zwar zahlreiche rechte bis rechtsextreme Gruppen, wie beispielsweise die Demokratische Partei (PADE), die Fuerza Nueva (Neue Kraft), oder die Spanische Phalanx (Falange Española, FE JONS), jedoch fallen diese nur durch ihre zahlreichen Wahlplakate auf. Nennenswerte Stimmenzahlen gewinnen sie in der Regel nicht. Dies liegt auch daran, daß die PP von ehemaligen Franco-Ministern gegründet wurde und auf ihrem Weg zur moderaten rechtsliberalen Partei ihre Ursprünge nie verleugnete. Die nach wie vor noch zahlreichen Sympathisanten des Caudillo sind ihr dadurch nie verloren gegangen.

Erstaunlich an dem Wahlausgang ist jedoch nicht nur die absolute Mehrheit für die PP, sondern vielmehr der Umstand, daß sich die lebenslustigen Spanier erneut für ihren knochentrockenen Ministerpräsidenten begeistern konnten. Mit seiner kastilischen Strenge, seinem spröden Auftreten und seiner unmodischen Frisur nebst Schnauzbart entspricht Aznar nicht gerade dem spanischen Prototypen. Er war 1996 kaum im Amt, da ließen ihn die Satiriker der spanischen "Spitting Image"-Sendung als Kuckuck aus der Uhr fahren: "España va bien, España va bien" ("Spanien geht’s gut, Spanien geht’s gut" – das war José María Aznars Leitspruch). Noch kurz vor den Wahlen 1996 wollte niemand glauben, daß ein Superstar wie der Sozialist Felipe González, der Spanien in seiner 13-jährigen Amtszeit in die Nato und die EU geführt hatte, abwählbar wäre. Doch plötzlich zogen die Aktentaschenträger, die Seitengescheitelten mit den immergleichen himmelblauen Oberhemden in den Madrider Regierungspalast ein. Beobachter führten die Wende auf die zahlreichen Skandale zurück, an denen die Ära González zerbrach, und sprachen von einer baldigen Rückkehr der Sozialisten.

Aznar strafte alle Zweifler Lügen. Mit einem Team kompetenter Fachminister räumte er im Dickicht der bürokratielastigen Wirtschafts- und Sozialpolitik auf. Er erreichte die Sanierung der Staatsfinanzen, die Konsolidierung des Wirtschaftsaufschwungs und das Einlösen seines alten Wahlversprechens: Spaniens Teilnahme am Euro. Seiner entschlossenen Deregulierungspolitik stellten sich nicht einmal die Gewerkschaften entgegen. 1997 glückte die Trendwende am Arbeitsmarkt, langsam sank die Rekordquote unter 20 Prozent. Auch in der kommenden Regierungsperiode soll die Entstaatlichung konsequent fortgesetzt werden. Zu den Wahlversprechen gehörten vor allem weitere Steuersenkungen, obwohl die Staatsquote im europäischen Vergleich bereits sehr niedrig ist.

Die Karriere des 47jährigen Premiers war konstant. Seine Zielstrebigkeit brachte den Sohn eines Pressefunktionärs unter Franco und Enkel des spanischen Botschafters in Marokko nach dem Ende der Diktatur an die Spitze der rechtskonservativen Partei Alianza Nacional (AP). 1984 zog der Jurist als deren Abgeordneter in das spanische Parlament ein, 1987 wurde er Regierungschef in der Region Kastilien-León. Doch nach der Umbenennung und Umwandlung der AP in die liberal-konservative Partido Popular leitete Aznar – ab 1989 als Vizechef und von 1990 an als Parteivorsitzender – die konsequente Umorientierung zur politischen Mitte hin ein. Damit war jedoch keine Anbiederung an Thesen des politischen Gegners verbunden, sondern eine ideologiefreie Sachpolitik. Vielen altgedienten Parteifreunden stieß er vor den Kopf, als er nicht sie zu seinen Ministern ernannte, sondern parteiexterne Technokraten.

Drei Mal (1990, 1993 und 1996) kandidierte Aznar gegen González, zuletzt mit knappem Erfolg. Angesichts dessen sprach er schon vor vier Jahren davon, nur einmal noch zu kandidieren. Dieser freiwillige Verzicht auf weitere Legislaturperioden wird von den Spaniern sehr positiv aufgenommen, da er als bestes Mittel gegen Filz und Korruption gilt. Eine Initiative, die sich auch die deutschen Volksparteien zu Herzen nehmen sollten.


 
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