© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/00 17. März 2000

 
Uwe Kranenpohl: Mächtig oder machtlos? Kleine Fraktionen im Bundestag
Überleben in politischen Nischen
Michael de Wet

Wie machtvoll sind kleine Koalitionspartner, wie machtlos Oppositionsparteien? Uwe Kranenpohl, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, ist dieser Frage nachgegangen. Das Ergebnis ist eine erste breite Bestandsaufnahme der kleinen Fraktionen im Bundestag im Zeitraum von 1949 bis 1994. "Mächtig oder machtlos?" – diese Frage wirft ihrerseits eine ganze Reihe weiterer erkenntnisleitender Fragestellungen auf: Welchen Problemen wandten sich die kleinen Fraktionen zu? Wie gestaltet sich die parlamentarische Arbeit in den Fraktionen? Welche Maßnahmen ergreifen sie, um ihr parlamentarisches Wirken der Öffentlichkeit bekanntzumachen? Welche Macht hat eine kleine Koalitionsfraktion und über welchen Einfluß verfügen kleine Oppositionsfraktionen?

Für die Studie wurden über 9.000 von den Kleinfraktionen initiierten Drucksachen ausgewertet sowie 30 Gespräche mit Parlamentariern von FDP, Grünen und PDS geführt. Bedauerlicherweise hat es Kranenpohl versäumt, Interviews auch mit Abgeordneten früher im Parlament vertretener Parteien zu führen.

Hatten dem ersten Bundestag neben CDU/CSU, SPD und FDP noch fünf weitere Fraktionen angehört – Bayernpartei, Deutsche Partei, KPD, Wirtschaftliche Aufbauvereinigung und Zentrum – so reduzierte sich die Zahl der im Parlament vertretenen Parteien 1953 bereits auf sechs, einschließlich des neu eingezogenen Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE).

Von besonderem Interesse ist das parlamentarische Agieren der Deutschen Partei, die als einzige Partei der politischen Rechten über einen längeren Zeitraum – die ersten drei Wahlperioden – im Bundestag vertreten war und deren Parlamentsgeschichte sich im Spannungsfeld zwischen Koalitions- und konservativer Bekenntnistreue abspielte.

Aber auch die Untersuchungen über gemeinsam von Fraktionen eingebrachte Anträge wirft ein interessantes Schlaglicht auf "Zweckbündnisse" oder tatsächlich weltanschauliche Verbindungen. Die Bayernpartei etwa vertrat kompromißlos bayerische Interessen, was sie aber nicht daran hinderte, in Abstimmung über "nationale Schicksalsfragen" zugunsten der bürgerlichen Koalition zu votieren und ihre Fundamentalopposition aufzugeben.

Die Analyse der Kontaktintensität zwischen Fraktionen erscheint überdies als Gradmesser, inwieweit kleine Fraktionen eine Außenseiterrolle spielen, so etwa die Grünen, als ihnen Anfang der achtziger Jahre der Einzug ins Parlament gelang. Kleine Fraktionen – so Kranenpohls Fazit – können ihr politisches Überleben in erster Linie dadurch sichern, daß sie eine politische Nische finden, in der sie nennenswerten Teilen der Wählerschaft als nicht ersetzbar erscheinen, zugleich aber in der parlamentarischen Arena wahrnehmbar sind. Gerade Koalitionsfraktionen können bei frühzeitiger Einflußnahme Gestaltungsspielräume ausnutzen – vor allem die FDP war hierin ein Meister.

 

Uwe Kranenpohl: Mächtig oder machtlos? Kleine Fraktionen im Deutschen Bundestag 1949–1994, Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 1998, 427 S., 76 Mark


 
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