© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/00 24. März 2000

 
LOCKERUNGSÜBUNGEN
Fischers Last
Karl Heinzen

Die Deutschen sind den Amerikanern in den vergangenen Jahrzehnten sehr nahegekommen. Man kann sich heute problemlos darüber verständigen, welche Aufgabe der Staat hat, was als schön und unterhaltsam anzusehen ist und wie ein Leben in Freiheit so gelebt werden kann, daß alle Marktteilnehmer etwas davon haben nicht zuletzt der es Lebende selbst. Insofern waren die Bemühungen um verbindliche Gemeinsamkeiten im 20. Jahrhundert unbestreitbar von Erfolg gekrönt. Und doch hatte die New Traditions-Konferenz, die deutsche und US-amerikanische Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur nun schon zum dritten Mal in Berlin zusammenführte, allen Anlaß, warnenden Stimmen Raum zu bieten. Auch ohne daß sich unser Land zu einer neuerlichen Größe erhoben hätte, haben sich nämlich Schatten über seine Beziehungen zur Führungsmacht gelegt. Diese wiegen heute um so schwerer, als sich eben niemand mehr auf Mißverständnisse herausreden kann.

Die Schuld für die Krise trägt dabei aber am allerwenigsten derjenige, der für die deutsche Außenpolitik zumindest auf dem Papier seinen guten Namen hergibt. Joschka Fischer hat es sich in seiner Amtszeit wohl nur ein einziges Mal zuschulden kommen lassen, das amerikanische Interesse aus den Augen verloren zu haben: als er kurz nach der Regierungsübernahme der Nato den Verzicht auf die Option eines nuklearen Erstschlages nahelegen wollte. Heute ist er selbst in dieser Frage, die für seine Partei einmal zentral war, zu Realismus fähig und das mit Recht: Hätten die USA etwa keine Atombombe werfen sollen, wenn der deutsche Zusammenbruch 1945 anders nicht zu erzwingen gewesen wäre? Grundsatzfragen lassen sich nicht schematisch mit Regeln beantworten – schon gar nicht mit völkerrechtlichen. Fischer ist der erste deutsche Außenminister, der die amerikanische Philosophie zur Gestaltung der internationalen Beziehungen verstanden hat, ohne dieses Wissen für sein Land zu mißbrauchen. Dadurch wird er für die Sicherheit Deutschlands zu einem Faustpfand.

Die Bemühungen Fischers werden jedoch durch eine Parallelaußenpolitik durchkreuzt, die im Bundeskanzleramt betrieben wird. Da die Richtlinien der deutschen Politik dem Grundgesetz zufolge von dort ausgehen, können die Amerikaner und unsere anderen Verbündeten nicht einfach ignorieren, was Gerhard Schröder erklärt oder sogar will. Spätestens sein unmotivierter Fanatismus im Beharren auf einem deutschen Kandidaten für die Spitze des Internationalen Währungsfonds hat ihn jedoch als unsicheren Kantonisten für die Aufrechterhaltung transatlantischer Solidarität bloßgestellt. Zu sehr scheint Gerhard Schröder immer noch in der Vorstellung des Bundestagswahlkampfes von 1998 zu leben, daß sein Regierungsantritt einen Neuanfang bedeute. Die Kontinuität zu Kohl und Kinkel lastet daher auf den Schultern seines Vizekanzlers.


 
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