© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/00 24. März 2000

 
USA: Die "christliche Rechte" und ihr Einfluß auf die amerikanische Politik
Ganz weit rechts vom Papst
Christian Motte

Im inzwischen entschiedenen Vorwahlkampf war häufig von der "christlichen Rechten" die Rede, um deren Gunst insbesondere republikanische Kandidaten buhlten. Während in Deutschland damit katholische Geistliche wie der Fuldaer Bischof Dyba assoziert werden, schlagen die Uhren in "gods own country" religiös und politisch völlig anders. Amerikas religiöse Rechte steht in vielerlei Hinsicht rechts vom Papst – von "progessiven" katholischen Bischöfen, Theologieprofessoren und führenden Laienorganisationen ganz zu schweigen. Weiße US-Protestanten insgesamt – nicht nur konservative – wählen rechter als weiße Katholiken und vor allem Religionslose sowie Juden. Schwarze wählen fast geschlossen die linkere demokratische Partei. Der katholisch-konservative Intellektuelle George Weigel beklagte schon vor Jahren, daß von 73 politischen Forderungen der katholischen US-Bischofskonferenz 70 "links" seien. Im Gegensatz zum Papst billigt die religiöse Rechte – in der Regel konservative Protestanten – die Todesstrafe. Allerdings wagt es auch kaum ein linker amerikanischer Politiker, die Todesstrafe abzulehnen. Von päpstlicher Kapitalismuskritik ist Amerikas religiöse Rechte ebenfalls frei. "Der Kapitalismus ist göttlich" sagt beispielsweise sogar Pastor Wilfred Moore, eine Führerfigur des linken Flügels der Southern Baptist Convention, der mit Abstand größten evangelischen Gruppierung. Deren linkem Flügel gehören auch Präsident Clinton und sein Vize Gore an. Schon seit ihrer Gründung gilt den meisten evangelischen Konservativen die UNO als Vorstufe zu einer antichristlichen Weltregierung: Die Gliederung der Welt in Nationalstaaten gilt als göttliches Gebot. Nicht nur der in den USA sehr bekannte baptistische Fernsehprediger Pat Robertson lehnt daher auch den Euro strikt ab. Die ebenfalls von Baptisten geführte Bob-Jones-Universität in Greeneville, South Carolina, verbot bis vor zwei Wochen ihren weißen und schwarzen Studenten – nur offiziell allerdings – sogar Rendezvous mit Angehörigen der jeweils anderen Rasse. Ohne Rassismus, also die Überlegenheit einer Rasse über die andere oder mindere Rechte für eine Rasse zu lehren, hält man dort Ehen zwischen Angehörigen verschiedener Rassen, die im übrigen zu 75 Prozent geschieden werden, für unbiblisch. Rassistisch – auch sehr antisemitisch – sind dagegen viele betont linke schwarze Intellektuelle: Sie schwärmen öffentlich von der schwarzen als der überlegenen "sonnigen, warmen, gefühlvollen" Rasse. Während die Bob-Jones-Universität theologisch, nicht in Bezug auf politische Zusammenarbeit, starke Bedenken gegen den Katholizismus hat, gilt das für Robertson gar nicht. Er hat im Gegenteil unter anderem gemeinsam mit New Yorks Kardinalerzbischof John O´ Connor ein berühmtes Einigungspapier zwischen konservativen Katholiken und konservativen Protestanten (sogenannten Evangelikalen) unterzeichnet. Darin werden weitgehende theologische Übereinstimmungen festgestellt und ein Verzicht, die jeweils andere Konfession zu missionieren, vereinbart. Bei O´Connor hat sich der texanische Gouverneur und Präsidentschaftskandidat George W. Bush inzwischen dafür entschuldigt, daß sein weltweit beachteter Wahlkampfauftritt bei der Bob-Jones-Universität katholische Gefühle verletzt haben könnte. Daß auch unter konservativen Protestanten umstrittene Verbot rassenübergreifender Ehen hatte Bush schon bei seinem Aufenthalt an der Bob-Jones-Universität abgelehnt. Bushs ehemaliger Mitbewerber um die republikanische Präsidentschaftskandidatur John McCain scheiterte daher auch mit dem Versuch, Bush in die antikatholische Ecke zu stellen. Genauso erfolglos war McCains Abqualifizierung von Robertsons und anderen "Rechten" als "Kräfte des Bösen" und "Agenten der Intoleranz". Schließlich gibt es viele Millionen konservativer Katholiken, sind viele Führer konservativer Organisationen und bekannte konservative Intellektuelle gläubige Katholiken oder Juden.

Auch der dritte – früh ausgeschiedene – Bewerber um die republikanische Präsidentschaftskandidatur, Alan Keyes – schwarz und katholisch – vertrat viel stärker als seine protestantischen Mitbewerber Bush und McCain die Politik der christlichen Rechten, von der Abschaffung der Einkommenssteuer über die Strafbarkeit der Abtreibung bis zur Ablehnung von Vorrechten für Homosexuelle. Bush gilt in allen diesen Fragen eher "links". Da Bush die Einkommenssteuer deutlich senken will, war er somit für Amerikas konservative Protestanten nur das geringere Übel – und letztlich erfolgreich. Keyes zu unterstützen, machte kaum Sinn, da er von vorneherein chancenlos war. Von Keyes wenig zu unterscheidende, konservative Mitbewerber wie Robertsons langjähriger Mitarbeiter, der Baptist Gary Bauer, sind noch früher aus dem Vorwahlkampf ausgeschieden.


 
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