© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/00 24. März 2000

 
Mansur Khan: Das Kosovo-Komplott. Vom Balkan-Krieg zur US-Weltherrschaft
Inszenierung eines Krieges
Michael Wiesberg

Der Begriff "Komplott" ist ein aus dem französischem entlehnter Begriff, der auf gut deutsch "Verschwörung" meint. Mansur Kahn, 1965 in Kaiserslautern als Sohn pakistanischer Eltern geboren, ist im Hinblick auf den Kosovo-Krieg der "Überzeugung, daß es sich bei diesem Krieg um eine Verschwörung der US-amerikanischen Machtelite gehandelt hat. In seinem gerade im Hohenrain-Verlag erschienenen Buch "Das Kosovo-Komplott. Vom Balkan-Krieg zur US-Weltherrschaft" entfaltet Kahn eine beeindruckende Indizienkette, die beweisen soll, daß der Kosovo-Krieg keineswegs das Ergebnis "humanitärer Erwägungen" gewesen ist, sondern vorrangig einem Ziel diente: der Zementierung der globalen Hegemonie der USA. Der Aufweis von Verschwörungen, in der Regel mit allerlei Mutmaßungen und Hypothesen verbunden, ist in hiesigen Kreisen immer von dem Geruch der Unseriosität bzw. Unwissenschaftlichkeit begleitet. Kurz: der Wert derartiger Publikationen ist oft mehr als zweifelhaft. Mansur Kahn hat derartige Verschwörungstheoretische Erwägungen im Grunde nicht nötig, weil er aus einem breiten Reservoir von Quellen schöpft, die für jedemann nachprüfbar sind. Da er dabei auf Quellen wie zum Beispiel den Publikationen aus dem Dunstkreis des amerikanischen Verschwörungstheoretikers Lyndon LaRouche zurückgreift, wird es Kritikern des Buches von Mansur Kahn leicht machen, sein neuestes Werk entweder als "unseriös" abzuqualifizieren, oder, was wesentlich wahrscheinlicher ist, mit Schweigen zu übergehen. Letzteres wäre zu bedauern, da Khan viele Aspekte zusammengetragen hat, die eine zur gewohnten Medienpropaganda alternative Sichtweise des Kosovo-Krieges gestattet. Khan liefert mit vielen interessanten Belegen den Nachweis, daß der Kosovo-Krieg seitens der USA inszeniert wurde, um eine Reihe von Zielen zu erreichen.

Aufschlußreich sind in diesem Zusammenhang die offensichtlichen Parallelen zum Golfkrieg gegen den Irak im Jahre 1991. Wie Saddam Hussein wurde auch Serbenführer Slobodan Milosevic zunächst von den USA protegiert, um ihn dann zu Vorgehensweisen zu provozieren, die das Eingreifen der "westlichen Wertegemeinschaft" als unausweichbar erschienen ließen. Gegen Ende seines Buches nennt Khan an die vierzig Kriegsgründe, die für die USA im Hinblick auf die Auslösung des Kosovo-Krieges eine Rolle gespielt haben sollen. Als wichtigste Gründe arbeitet Kahn folgende Aspekte heraus: Sicherung des amerikanischen Einflusses mittels Truppenpräsenz auf dem Balkan auf die Erdöl- und Erzvorkommen in den Kaukasus-Staaten, Disziplinierung der Nato und der EU, Belastung des Wirtschaftskonkurrenten Europa mit Kriegs- und Wiederaufbaukosten im früheren Jugoslawien, Einfluß auf die wichtige Bodenschätze im früheren Jugoslawien, Sicherung von Aufträgen für die US-Wirtschaft beim Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur Jugoslawiens. Daß dieser Krieg natürlich auch für die US-Rüstungskonzerne ein "lohndes Geschäft" war und ist, versteht sich von selbst.

Klingen eine Reihe von Gründen, die Khan zusammenstellt, plausibel, sind andere wie zum Beispiel die Behauptung, die rot-grüne Bundesregierung habe diesem Krieg zugestimmt, weil sie von ihrer eigenen Imkompetenz ablenken wollte, schlicht an den Haaren herbeigezogen. Khan widerspricht sich hier im übrigen auch selbst, gibt er sich doch in seinem Buch erhebliche Mühe aufzuweisen, wie die Bundesregierung mehr oder weniger ultimativ von den USA aufgefordert wurde, in den Krieg einzutreten. Genauso abwegig ist die Behauptung, daß die Inszenierung des Krieges im Kosovo auch dazu diente, die Korruptions-Fälle in der damaligen Brüsseler EU-Kommission zu übertünchen.

Und noch in einer anderen Hinsicht läßt Khan die notwendige gedankliche Stringenz vermissen. Nachdem er einigermaßen nachgewiesen hat, daß Milosevic Opfer eines feingesponnenen Komplottes geworden ist, wiederholt er unkritisch die Mär von den serbischen Massenmorden im Kosovo, obwohl inzwischen bekannt ist, daß es Massenmorde in der von der Nato behaupteten Größenordnung im Kosovo nicht gegeben hat. Kein Wort verliert Khan auch über das Ergebnis der bisher geöffneten angeblichen "Massengräber" im Kosovo, über die bezeichnenderweise kein Mensch mehr spricht.

Dazu kommt ein weiterer eklatanter Selbstwiderspruch: Wenn es diese Massenmorde doch gegeben hätte, dann wäre die Intervention der Nato doch rechtens gewesen. Vollends abwegig wird es, wenn Kahn dann auch noch behauptet, auch Milosevics hätte seine Kriegsziele erreicht, weil unter anderem die UÇK entwaffnet worden wäre, womit die Kosovo-Albaner nach Abzug der Nato-Einheiten den Serben angeblich wieder ausgeliefert wären. Zu den Zielen der Serben soll weiterhin auch die Vernichtung der moslemischen Kultur im Kosovo gehört haben, was dank der Nato-Intervention auch gelungen sei. Hier läßt Kahn jede kritische Distanz vermissen, weil er die kriegstreiberische Rolle der UÇK vollkommen ausblendet. Diese Rolle gehört aber zu einem differenzierten Gesamtbild über den Kosovo-Krieg.

Trotz dieser Einschränkungen lohnt die Lektüre des Buches von Mansur Khan schon aufgrund der verarbeiteten Quellen, die die Motive und Handlungsmaximen der US-Machtelite im Hinblick auf den Kosovo-Krieg in einem neuen Licht erscheinen lassen.

 

Mansur Khan, Das Kosovo-Komplott. Vom Balkan-Krieg zur US-Weltherrschaft, Hohenrain-Verlag, Tübingen 2000, 310 Seiten, brosch., 32 DM

 

Michael Wiesberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter. Er lebt in Stuttgart.


 
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