© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/00 31. März 2000

 
Bundeswehr: Das CDU-Papier bleibt zu allgemein
Trübe Aussichten
Franz Uhle-Wettler

Am 21. März hat die CDU ein "Positionspapier" über "Die Zukunft der Bundeswehr" veröffentlicht. Der Leser darf gespannt sein, ob die Berliner CDU sich von den Bonner Tabus löst.

Angenehm berührt, daß das Papier sich jeder Polemik enthält, sondern kühl aufzeigt, welche Probleme die CDU sieht. Mit fünf Seiten ist das Papier wohltuend kurz – oder aber zu kurz für den Stoff?

Zu Recht stellt das Papier den "Auftrag der Bundeswehr" an den Anfang, denn der Auftrag der Politiker bestimmt Umfang und Struktur der Streitkräfte. Als "Kernaufgabe" sieht die CDU die "Landesverteidigung", die sie richtig als "Bündnisverteidigung" deutet, die aller Wahrscheinlichkeit nach an der Peripherie des Nato-Gebietes erforderlich werden wird. Die CDU löst sich also endgültig von dem auch von ihr lange vertretenen Unsinn, der Nato-Vertrag erlaube nur den Einsatz von Truppen im Gebiet ihrer Mitglieder (out of area-Problem). Viel Mut gehört allerdings zu dieser Positionsveränderung heute nicht mehr.

Als wichtigste "sicherheitspolitische Herausforderungen" sieht die CDU Krisen außerhalb des Bündnisgebietes, Gefährdung durch die Verbreitung der Massenvernichtungswaffen und humanitäre Katastrophen. Um innerhalb der Nato und der europäischen Bündnisse zur Bewältigung dieser Herausforderungen einen angemessenen Beitrag leisten zu können, braucht die Bundeswehr eine hinreichende Aufklärungskapazität, Interreparabilität der Waffen sowie der Führungsmittel, Mobilität (dabei Transportmittel) und Durchhaltefähigkeit. Auch dem wird niemand widersprechen.

Für diese Aufgabe befürwortet die CDU "europäische" Lösungen sowie den Aufbau einer "europäischen Verteidigungsidentität". Auch das klingt unangreifbar. Aber könnte es sein, daß diese "Identität" (welch Wort!) nur neue und teure Stäbe und Kapazitäten parallel zu denen der Nato und der USA aufbaut? Wenn ja: Warum? Vergeblich sucht der Leser nach einer Antwort.

Bei den "Schwächen der Bundeswehr" sieht die CDU vor allem einen Mangel an strategischer Mobilität und eine Unterfinanzierung von 30 Milliarden Mark; die Personalkosten seien mit 51 Prozent so hoch, daß die Modernisierung von Waffen und Gerät unmöglich wird. "Einschnitte" beim Personal seien unvermeidbar. Wiederum: Das weiß längst jedermann. Fraglich ist, was konkret zu tun ist. Doch dazu sagt das Papier nichts.

Die CDU sieht die Wehrpflicht als "Eckpfeiler" der Verteidigungspolitik und betrachtet sie als staats-, bündnis- und gesellschaftspolitisch "notwendig". Natürlich sieht auch die CDU, daß eine von "Einschnitten" beim Personal betroffene Bundeswehr die Wehrpflichtigen nicht mehr alle aufnehmen kann. Also soll die Wehrpflicht verkürzt werden (um wieviel?) und flexibel gestaltet werden: "Möglichkeit, den Wehrdienst in mehreren Intervallen abzuleisten" usw. Aber: Stehen dann Ausbildungs- und Nutzungszeit noch in einem vertretbaren Verhältnis? Sind so kurz ausgebildete Soldaten mehr als Kanonenfutter? Wie soll die Truppe das Sammelsurium von Soldaten in verschiedensten Ausbildungsstadien ausbilden? Wiederum: Keine Antwort.

Die Verlagerung der voraussichtlichen Einsatzorte der deutschen Streitkräfte von der innerdeutschen Grenze – oft dicht vor den Kasernen! – in ferne Räume wird Reformen erfordern. Brauchen wir zum Beispiel weiterhin 3.000 schwere Kampfpanzer – und wie sollen wir sie transportieren? Die allgemeine Verkleinerung der Streitkräfte stellt die Frage, ob jeder weiterhin alles braucht – vom U-Boot bis zum Abfangjäger und einschließlich des Aufwandes für Ausbildung und Logistik, und oft nur in kleinen Stückzahlen. Zum Vergleich: Die USA haben nur 1,5 Millionen Mann unter Waffen, sind aber weltweit hochmodern und präsent. Die Europäer halten zwei Millionen Mann unter Waffen, hinken aber den USA in allen Bereichen meilenweit hinterher. Hieraus und aus vielem anderen ergeben sich drängende Fragen. Das CDU-Papier listet nur einige dieser Fragen auf, und das nur in allgemeiner Form und ohne Andeutung, wo die CDU die Antwort sucht. Gravierend ist die Tabuisierung der Wehrpflicht. Das alles befriedigt kaum.

Allerdings: Im letzten Kabinett Kohl saß kein einziger Minister, der seine gesetzliche Wehr- oder Ersatzdienstpflicht erfüllt hatte – von Herrn Bohl bis zu Herrn Wissmann. Nur ein Drittel der heutigen CDU-Bundestagsabgeordneten hat Wehr- oder Ersatzdienst geleistet. Woher sollten dann das innere Engagement und die Fachkenntnisse für die Streitkräfte kommen?

 

Dr. Franz Uhle-Wettler, Generalleutnant a.D., war Kommandeur einer Panzerdivision der Bundeswehr und bis 1987 Kommandeur des Nato Defence College in Rom.


 
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