© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/00 07. April 2000

 
Zeitung im Internet-Zeitalter
Mit dem Computer am Frühstückstisch

Als Johannes Gutenberg 1455 in Mainz die erste Bibel herausbrachte, die mit Druckplatten aus beweglichen, auswechselbaren Lettern hergestellt worden war, war dies die Initialzündung für eine geistig-technische Umwälzung. Informationen konnten nun massenhaft in Form von billiger und schneller gedruckten Büchern und Zeitschriften verbreitet werden. Ohne die Entwicklung der Druckerkunst mit der Möglichkeit zur Massenproduktion wäre das revolutionäre Wirken eines Martin Luther kaum denkbar gewesen, der über die von ihm ins Deutsche übersetzte Bibel Geltung erwarb.

Die Welt erlebt, seit dem auf Initiative des US-Militärs 1969 die ersten elektronischen Nachrichten über das ARPA-Net ausgetauscht wurden, eine neue Revolution der Informationsvervielfältigung, die mit der Erfindung der Gutenbergschen Druckerpresse durchaus vergleichbar ist. Nachdem Steve Jobs 1971 den "Apple 1" für 300 Dollar verkaufte (Studenten die Hälfte), haben "Personal Computer" (PCs) die heimischen Schreibtische erobert und zunehmend altgediente Reiseschreibmaschinen verdrängt. Schon die Schreibmaschine war eine technische Neuerung, die selbst in den 90er Jahren noch nicht zum letzten Universitätsgelehrten vorgedrungen war. Der 1998 verstorbene Philosoph Panajotis Kondylis ("Macht und Entscheidung") schrieb seine Manuskripte noch als Handschriften. Von der Schreibmaschine hielt er sich fern, ganz zu schweigen vom Computer.

Nun klicken sich bereits Grundschüler fröhlich durch ein weltweites Datennetz und können unter Millionen "Homepages" wählen. "Schulen ans Netz", fordern Bildungspolitiker, "Kinder statt Inder", wünscht sich ein CDU-Politiker in diesen Tagen, um auf die mangelhaft Förderung des Informatik-Nachwuchses aufmerksam zu machen.

Hat aber der kanadische Milliardär Ken Thomson die Zeichen der Zeit erkannt, als er im Februar seine 130 nordamerikanischen Tages- und Wochenzeitungen zum Verkauf anbot, um sich nun bei Internet-Firmen zu engagieren? Der Rückgang der Auflagenzahlen von Zeitungen, insbesondere der politischen Wochenzeitungen, könnte ihm recht geben. Wen der kurzfristige wirtschaftliche Profit am "Neuen Markt" interessiert, der scheint richtig zu liegen, wenn er ihm folgt. Das Geschäft mit Internet-Firmen boomt.

Dennoch: Solange der Computer nicht mit ins Bett oder auf die Toilette genommen werden kann, solange man sich nicht am Frühstückstisch hinter einem Bildschirm verkriecht, um abwechselnd an der Kaffeetasse zu nippen und den Leitartikel zu studieren ("Liebling, ich bin auch noch da!"), solange nicht mit dem Laptop Fliegen erschlagen werden, wird die Zeitung nicht aussterben. Und damit Sie sich im Café, in der U-Bahn oder auf der Parkbank – gerade im Frühling auch intim zu zweit – bequem hinter der jungen freiheit verstecken und ungestört in die Lektüre vertiefen können, haben wir zum 7. April unser Format erhöht.

 

P.S.: Ach ja, Internet: www.jungefreiheit.de


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen