© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/00 07. April 2000

 
Zeitschriftenkritik: Transit
Auf den Spuren der Revolution
Werner Olles

Das erste Heft von Transit ("Osteuropa – Übergänge zur Demokratie?") erschien unmittelbar nach den bewegenden Ereignissen von 1989. Die neueste Ausgabe der "Europäischen Revue" – so der Untertitel der Halbjahreszeitschrift – versucht nun, eine Bilanz der Transformationsprozesse der letzten zehn Jahre mit den Perspektiven insbesondere für das neue Europa zu verbinden. Untersucht und analysiert werden primär die Folgen von 1989 für unseren "neuen, alten Kontinent".

Herausgegeben von Krzystof Michalski am Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen und betreut von einem illustren Redaktionskomitee, dem unter anderen Jan Blonski, Timothy Garton Ash, Otto Kallscheuer und Jacqueline Hanard angehören, fragt Transit, ob wir heute mehr über die Revolutionen von 1989 wissen, und ob jene Geschehnisse Resultate zeitigten, die dieses Jahr in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung neben das Jahr 1789 rücken könnten. Der rasche fundamentale Systemwandel in den Ländern Mitteleuropas, Ostmitteleuropas und Osteuropas und die friedliche Revolution, die von Polen auf Ungarn übersprang und von dort auf Deutschland und die Tschechoslowakei, bedeutete nicht nur das Ende des Kalten Krieges, der in den vierziger Jahren wegen eben dieser Länder und der Blockpolitik der beiden Supermächte USA und Sowjetunion ausgebrochen war, sondern hatte auch indirekte Auswirkungen auf zahlreiche andere Weltregionen. Über Jahrzehnte hatte die weltweite Konkurrenz der feindlichen Blöcke, zwischen Ost und West, zwischen Kapitalismus und Kommunismus auch die politischen und sozialen Verhältnisse im südlichen Afrika, in Südostasien und in Lateinamerika starken Deformationen unterworfen.

"Tatsächlich wird man kaum ein Land der Erde finden, das vom Ende des Kalten Krieges unberührt geblieben ist", schreibt Timothy Garton Ash in seinem Beitrag "Zehn Jahre danach", während Ralf Dahrendorf in "Umbrüche und normale Zeiten" die völlig berechtigte Frage stellt, ob die Politik überhaupt Intellektuelle braucht, oder ob nicht vielleicht Ideen und Maßstäbe bereits für eine vernünftige Politik ausreichen könnten. Dahrendorf ironisiert aber auch die fortwährende Beschwörung von Umbruchsituationen gerade durch die Intellektuellen, die "hinter jedem Zeichen von Ausländerhaß die Rückkehr zum Faschismus, hinter jedem Notstands- oder Asylgesetz das Ende der Demokratie" vermuteten. Große Umbrüche könne man aber nicht herbeireden, und die Intellektuellen müßten sich "mit dem Chaos, den Widersprüchlichkeiten, Verirrungen und Paradoxien auseinandersetzen...Das heißt mit der Wirklichkeit".

Zwei wichtige Debatten beschließen das Heft: die früheren Dissidenten Adam Michnik, Viktor Orban und Vaclav Havel fragen "Was bleibt von 1989?", und die beiden ehemaligen Kommunisten Aleksander Kwasniewski und Giorgio Napolitano diskutieren über den "Wandel des Kommunismus", wobei Napolitano bei einem Konflikt zwischen Freiheit und Gleichheit niemals eine Lösung darin sehen würde, "die Freiheit zu opfern". Werner Olles

Anschrift: Verlag Neue Kritik, Kettenhofweg 53, 60325 Frankfurt am Main. Der Einzelpreis beträgt 20 DM, im Abo 18 DM pro Heft.


 
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