© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/00 07. April 2000

 
Das Bild als Argument
Armin Mohler zum achtzigsten Geburtstag
Götz Kubitschek

Man betritt zuerst einen langen dunklen Flur. Vorn am Eingang steht eine Kommode, gegenüber hängt ein Spiegel. Deckenhohe breite Regalwände verengen den Flur, und ein, zwei Stunden später wird man davor stehen und hören, daß dies die Abteilung der Russischen Realisten sei, gefolgt von den Spaniern, den Skandinaviern, den Amerikanern: ein paar tausend Bände Kunstgeschichte des anderen Mohler. Der Mohler, den die meisten kennen, hat als Dissertation ein Standardwerk vorgelegt: "Die Konservative Revolution in Deutschland", hat damit einen gültigen Terminus geprägt und einen Kristallisationspunkt geschaffen, um den sich die rechten Denker seither gruppieren.

Der so wirkt, steht mitten im Zimmer und stützt seinen mächtigen Körper auf einen Stock. Knieoperationen haben das notwendig gemacht. Die weißen Haare sind nach hinten gekämmt. Er hat sich vorbereitet. Neben seinem Lehnstuhl liegt ein Bündel Papiere, ein kleiner Stapel Bücher. Wir sind gleich im Gespräch. Keine Frage bleibt unbeantwortet: Mohler schafft aus dem Nebenzimmer neues Material heran. Hier hängen auch seine drei Ikonen: Ernst Jünger, Carl Schmitt und Arnold Gehlen. Kurzes Gespräch darüber, dann führt mich Mohler durch das Zimmer und klopft mit dem Stock auf ein Foto, das er am Türrahmen befestigt hat: "Dieser Mann hat sich mit einer Rede so große Verdienste erworben, da kann man ihm vieles nachsehen." Ich erkenne Martin Walser.

Armin Mohler hat sich ein Foto von Walser über die Tür genagelt. Er ist ein Augenmensch. Er hat Kunstgeschichte studiert und über Filme und Ausstellungen geschrieben. Seine Bücher stecken voller Bilder, er spießt das Konkrete auf, die Anekdote, um durch sie den Trend, die Strömung und die Leitlinien von Epochen und Verhaltensweisen anschaulich zu machen. Das ist das Gegenteil von einer juristischen Logik, die jeden Interpretations-Ausreißer einzufangen und festzusetzen versucht. Mohlers Bilder hingegen zielen auf den Kern dessen, was er zeigen möchte.

Daß solche Bilder nach den Rändern hin zerfließen und unscharf werden, versteht sich von selbst und muß nicht ständig betont werden. Armin Mohler verteidigt sich nicht gegen Leute, die ihn nicht verstehen wollen. Allenfalls macht er sich lustig über sie.

Dabei liebt Armin Mohler die echte Auseinandersetzung, die, welche den Gegner zuerst einmal ernst nimmt, ihn als gewissenhaften, um stimmige Analyse oder Annäherung oder Wahrheit bemühten Kontrahenten würdigt, der eben an andere politische Grundkoordinaten glaubt. Die Liste der Redner, die Armin Mohler als Leiter der Siemens-Stiftung auftreten ließ, beweist das. Bernard Willms beispielsweise sprach zuerst als junger Linker, dann als Rechter. Und trotzdem: Auch in der Auseinandersetzung bleibt Armin Mohler bei seinen Leisten. Und seine Leisten, das sind Bilder: Es geht ihm nicht darum, das Bild eines Gegners zu zerpflücken oder – das ist das gleiche – eine Diskussion ins Unscharfe, in ein nicht mehr auflösbares Definitionswirrwarr zu zerreden und sich so zu retten. Armin Mohler hat mehr agonales Vergnügen, wenn er ein besseres Bild danebenstellen kann.

***

Szenen aus einem Gespräch: "Herr Mohler, Sie sagen: Die Sinnfindung des Menschen wird erst ermöglicht durch nationales Selbstbewußtsein. Warum soll das richtig sein?"

"Weil wir es sagen. Man setzt so etwas. Ich kann es Ihnen nicht logisch begründen. In dem Sinne habe ich keine Theorie. Ich stelle ein Bild hin, und das müssen die Leute schlucken oder nicht. Wenn sie es nicht mögen, mögen sie es eben nicht. Das ist mein Pech."

"Sie stellen ein Bild hin und denken, die Leute hätten keine Erklärung nötig?"

"Ja. Durch die Erziehung, die Sie genossen haben, meinen Sie natürlich, man müsse das irgendwie logisch begründen können. Aber ich kann es Ihnen nicht logisch begründen. Es gibt sehr wahrscheinlich Leute, die können es logisch begründen. Aber die, die denken wie ich, die können mit solchen logischen Begründungen nicht viel anfangen. Wir sagen, das muß man nicht begründen, das weiß man. Das ist halt der Perspektivismus. Das ist eben meine Perspektive, und ich versuche, das den Menschen durch Bilder verständlich zu machen. Manchmal auch durch Argumente."

***

Armin Mohler schließt seinen Glasschrank auf. Er wuchtet ein paar dicke Ordner auf den Tisch. Dies sei der Briefwechsel mit Ernst Jünger, der Meister privat, unveröffentlicht, eine Fundgrube. Man will jetzt sitzenbleiben auf dem niedrigen Sofa und zu lesen beginnen: "Lieber Sekretarius", die Antwortbriefe sind mit Durchschlag dahintergeheftet. Aber zum Lesen ist keine Zeit. Die Gästebücher kommen auf den Tisch, der erste Eintrag ist von Ernst Jünger. Mit ihm begann doch alles. Der Schüler Armin Mohler litt in seiner friedlichen Schweiz an "monumentaler Unterernährung", in diese Grundstimmung platzte der deutsche Angriff auf die Sowjetunion, ein Gefühl war da und beendete das künstlerisch-feinsinnige Treiben eines Linksintellektuellen: Jetzt geht es um die Wurscht. Mohler verschlingt Jüngers "Arbeiter": Existentielle Lektüre, ein Buch setzt einen jungen Menschen auf ein Gleis, hernach ist alles anders. Zur Front kam Mohler nicht. Aber zum Studium nach Berlin. Hier schrieb er in wochenlanger Arbeit die Aufsätze der nationalistischen Zeit Jüngers ab und wurde zum besten Kenner seines Lehrers. Und hier liegt der Keim zu jener scharfen Kritik, die Armin Mohler übte, als Jünger seine früheren Werke umzuschreiben begann. Ein Autor, der mit seinen Büchern eine ganze Generation umgekrempelt habe, dürfe so nicht verfahren. Die Arbeit am Bild, das man hinterlassen möchte, kann unzulässig sein: Es gibt auch den Leser, der nach der Lektüre nicht vor dem Kamin verweilt.

Am 12. April wird Armin Mohler achtzig Jahre alt. Götz Kubitschek

 

Götz Kubitschek ist Mitherausgeber des Buches "Lauter Dritte Wege" (Edition Antaios, Alte Frankfurter Straße 59, 61118 Bad Vilbel), das zu Armin Mohlers 80. Geburtstag erscheint.


 
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