© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/00 07. April 2000

 
Medien-Splitter
Aktienmanie
Michael Oelmann

Wie reich kann ich werden?" – fett und breit schwelgen die Bild-Schlagzeilen im neuen deutschen Volkssport: Geld verdienen. Das kalte Buffet an den Börsenplätzen ist eröffnet – wer nicht mitnimmt, was geht, ist selber schuld. Erst recht die Medien. Sagen wir’s ruhig auf gut mittelhochdeutsch: die Deutschen sind geil. Aktiengeil. "Neuer Markt"? - das ist selbst für Lieschen Müller längst nicht mehr der neue Aldi um die Ecke. "Neuemission"? Da denkt auch kein grüner Weltverbesserer mehr an zusätzliche Treibhausgase. Der Rausch ums schnelle Geld, er hat sie alle erfaßt. Bei den Auflagenzuwächsen und Neuerscheinungen boomen Wirtschaftstitel wie nie: Börse Online, Financial Times Deutschland, Net-Business, Telebörse – wer zählt die Seiten, wer nennt die Titel? Selbst Fakten-Fakten-Fakten-Helmut beschert uns Focus Money. Aber nicht nur die Spezialmagazine profitieren, denn der Werbemarkt für Finanzanzeigen insgesamt hat nicht erst seit dem Mannesmann-Vodafone-Kampf neue Dimensionen erreicht. Blanken Arbeitskräftemangel vermeiden mittlerweile auch die PR-Agenturen, die den Ansturm der Börseneinführungen und die professionelle Stimmungsmache zugunsten des Kurses kaum mehr bewältigen können. Und wenn‘s doch passiert und "unser schönes Geld ist futsch" (Bild-Titel nach dem Mini-Crash letzter Woche)? Wer hat‘s dann gewußt? Natürlich nur einer: Johannes Paul II. Der Papst, medienmäßig sowieso unsere Nummer 1 der letzten Wochen, wußte in einer knallharten Börsenanalyse längst, was hinter dem ganzen Spektakel steckt: Teufelszeug.


 
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