© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/00 14. April 2000

 
"Antidiskriminierungs-Paket"
Europäer auf der Couch
Michael Wiesberg

Mitte März dieses Jahres forderte die derzeitige EU-Sozialkommissarin Anna Diamantopoulou die Mitglieder der EU auf, schnell ein gemeinsames Anti-Diskriminierungspaket zu verabschieden. Die EU-Mitgliedstaaten, bevorzugtes Migrationsziel des internationalen Wanderproletariates, sind trotz beispielloser Liberalität immer noch ein finsterer Ort, in dem Nicht-EU-Zuwanderer diskriminiert und ausgegrenzt werden.

Um die Notwendigkeit dieses Paketes, das derzeit auf EU-Ebene beraten wird, propagandistisch vorzubereiten, hat die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Januar dieses Jahres einen ersten Bericht für das Jahr 1998 erstellt, in dem allen Ernstes festgestellt wird, daß ganz Europa von einem Anstieg des Rassismus bedroht sei. Insbesondere Einwanderer aus Nicht-EU-Staaten seien in der Arbeitswelt starken Diskriminierungen ausgesetzt. Als "Beweis" für diese Behauptung werden die jeweiligen Arbeitslosenquoten von Nicht-EU-Ausländern innerhalb der Mitgliedstaaten der EU ins Feld geführt. Wer bisher der Überzeugung war, daß Zuwanderer aus Nicht-EU-Staaten deshalb arbeitslos sind, weil sie für die Anforderungen hochtechnisierter Industriegesellschaften schlicht nicht qualifiziert sind, wird hier eines besseren belehrt: Nicht-EU-Ausländer sind nicht unzureichend qualifiziert, sondern werden "diskriminiert".

Die hinter diesen Diskriminierungen aufscheinende Fratze von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus muß aus Sicht der Kommission aus den Köpfen der Europäer ein für allemal verschwinden. Deshalb geben sich die Richtlinienentwürfe nicht mit der Erfassung und Sanktionierung von offener Diskriminierung zufrieden. Auch "mittelbare Diskriminierungen" sollen in Zukunft unterbunden werden. Unter "mittelbaren Diskriminierungen" versteht die Kommission "dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren", die ihrem Wesen nach geeignet sind, "eine bestimmte Person oder Personengruppe" aus rassischen, religiösen, sexuellen, ethnischen oder körperlichen Gründen heraus zu benachteiligen.

Laut EU-Kommissarin Diamantopoulou sollen alle diese Maßnahmen dazu führen, "mehr Gleichheit in der Gesellschaft" herbeizuführen. "Mehr Gleichheit" wird hier offensichtlich mit dem Abbau von Gewalt von Menschen über Menschen gleichgesetzt. Dieses Ziel ist aber einer Dialektik unterworfen, die aus der Geschichte bestens bekannt ist. Die Gleichmacherei der EU wird bereits jetzt mit einer Flut von Verordnungen erkauft, die nicht zu einem Abbau von Herrschaftsverhältnissen führen, sondern zum Gegenteil: Der Kommission wachsen als Motor des werdenden europäischen Gleichheitsstaates mehr und mehr Herrschaftsinstrumente zu, so daß von einer Herrschaftsmultiplikation der Kommission auf Kosten nationalstaatlicher Kompetenzen gesprochen werden kann. Über das Ziel der Bekämpfung von Diskriminierung erreicht Brüssel eine weitere Stärkung seiner Zentralgewalt. Genau dies dürfte das eigentliche Ziel des Anti-Diskriminierungspaketes sein.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen