© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/00 14. April 2000

 
So wahr mir Gott helfe
Diskussion um die ethische Begründung der Verfassung
Lothar Groppe

Gehört Gott ins Grundgesetz? Diese rhetorische Frage scheint überflüssig, heißt es doch in der Präambel des Grundgesetzes: "Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen ...." Jedoch am 5. Dezember 1999 brachte die Welt am Sonntag einen Artikel mit der Schlagzeile: "Rotgrün gegen Gott im Grundgesetz." Danach sollten sich mehrere Abgeordnete der SPD und der Grünen dafür ausgesprochen haben, Gott aus der Präambel des Grundgesetzes zu streichen. Monika Griefahn, die laut WamS erklärte, ein Rückgriff auf Gott in der Präambel sei "nicht angemessen und heuchlerisch", korrigierte nachträglich die Meldung in einem Brief so: "In der Diskussion mit dem Redakteur der Welt amSonntag habe ich festgestellt, daß der Gottesbezug in der Verfassung in vielen Fällen mißbraucht und instrumentalisiert wird und in diesen Fällen dann ’nicht angemessen und heuchlerisch’ verwandt wird. Denn das Grundgesetz schreibt uns Handeln für das Gemeinwohl vor. Als Beispiel habe ich die Debatte um die Novellierung des § 218 genannt. Ich habe mich niemals für die Streichung des Gottesbezuges im Grundgesetz ausgesprochen, sondern nur die Nutzung in Frage gestellt."

Nun haben in den letzten Jahren auch solche Politiker gegen Gesetz und Verfassung verstoßen, die bei ihrer Vereidigung die Formel "So wahr mir Gott helfe" hinzugefügt haben. So bedauerlich und unentschuldbar solche Verstöße auch sind, die Anrufung Gottes soll doch die Politiker erinnern, daß sie nicht nur Verantwortung gegenüber ihrem eigenen Land haben, sondern über ihr Tun und Lassen auch einmal vor Gott Rechenschaft ablegen müssen. Wir haben für dieses Bewußtsein ein eindrucksvolles Beispiel aus unserer Geschichte. Der als "Soldatenkönig" bekannte Friedrich Wilhelm I. schrieb an seinen Sohn, den späteren Friedrich den Großen: "Ich bitte meinen lieben Nachfolger, keinen ungerechten Krieg anzufangen, denn Gott hat ungerechte Kriege verboten und Ihr müßt für alles unschuldig vergossene Blut Rechenschaft ablegen vor Gott. Das ist eine ernste Sache. Also haltet Euer Gewissen rein, damit Gott Euch beständig segne und Eurer Armee Bravour gebe." Wieviel Leid wäre Preußen und Österreich erspart geblieben, wenn der Sohn die Mahnung des Vaters befolgt hätte!

Alljährlich verstoßen Millionen Autofahrer gegen die Straßenverkehrsordnung und, sei es nur durch die Überschreitung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit. Dennoch kommt niemand auf die Idee, deswegen die Straßenverkehrsordnung außer Kraft zu setzen.

Laut WamS vom 5. Dezember 1999 habe der SPD-Abgeordnete Barthel gefordert: "Der Gottesbezug sollte nicht in einer Verfassung stehen, die für alle Bürger geschrieben wurde." Der deutschtürkische Abgeordnete Cem Özdemir wurde mit der Aussage zitiert, ein Wertekonsens in Deutschland könnte nur gemeinsam mit Nicht-Christen geschaffen werden". Eine "Konstitutionalisierung des christlichen Gottes" führe zu Intoleranz und Ausgrenzung. An dieser Erklärung ist bemerkenswert, daß nach seinem Eingeständnis der islamische Gottesbegriff vom christlichen ebenso fundamental verschieden ist wie zahlreiche islamische Wertvorstellungen. Denken wir nur an die Frage der Menschenrechte! Diese Wesensunterschiede erschweren ganz wesentlich die Integration in unsere abendländische Gesellschaft, die immer noch vom Christentum geprägt ist. In schroffem Gegensatz zu Özdemir sprach sich das Zentralinstitut Islam-Archiv dafür aus, den Gottesbezug im Grundgesetz zu lassen. In seinem Appell an SPD und Grüne heißt es, der Gottesbezug im Grundgesetz sei "der eigentliche Schlüssel, der es gläubigen Moslems möglich macht, dem Staat gegenüber loyal zu sein, Pflichten gegenüber der Gemeinschaft zu übernehmen, den Staat notfalls mit dem Leben zu verteidigen und sich in ihm angenommen und heimisch zu fühlen". Der Wegfall des Gottesbezuges ziehe den Befürwortern der Integration den Boden unter den Füßen fort und gefährde den gesellschaftlichen Dialog. Falls diese Erklärung nicht lediglich eine Beruhigungspille für aufgeschreckte Bundesbürger ist, kann man ihr nur zustimmen.

Bekanntlich hatte sich bei der Vereidigung der jetzigen Bundesregierung einschießlich des Bundeskanzlers die Hälfte der Minister entschlossen, auf den Beistand Gottes zu verzichten. Dies macht erschreckend deutlich, daß sich diese Politiker keiner höheren Instanz verantwortlich fühlen als der Partei und dem Staat. Da sollte uns ein Grundsatz des NS-Regimes stutzig machen: Recht ist, was dem deutschen Volke nützt! Es war wohl die Erinnerung hieran, die fünf Bundesländer von Bayern bis Nordrhein-Westfalen veranlaßte, in ihre Verfassung die "Ehrfurcht vor Gott" als Bildungsziel aufzunehmen. Alle diese Bundesländer führen den Bezug auf Gott ebenso in de Präambel ihrer Verfassung wie die "neuen" Bundesländer thüringen und Sachsen-Anhalt. 1994 erzwang eine Volksinitiative in Niedersachsen mit den Stimmen von 120.000 Bürgern, die "Verantwortung vor Gott und den Menschen" gegen SDP und Grüne in die Präambel der neugefaßten Verfassung aufzunehmen, denn, wie Dostojewski schreibt: "Wenn es Gott nicht gibt, ist alles erlaubt."

 

Pater Lothar Groppe SJ war Militärpfarrer und Dozent an der Führungsakademie der Bundeswehr sowie zeiwtweise Leiter der deutschen Sektion von Radio Vatikan.


 
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