© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/00 14. April 2000

 
BLICK NACH OSTEN
Der Balkan bleibt weiter unruhig
Carl Gustaf Ströhm

Die Statthalter des Westens in Bosnien-Herzegowina sind enttäuscht: Bei den Gemeindewahlen in der vom Krieg zerstörten und de facto noch immer ethnisch geteilten Republik haben die "übernationalen" Parteien keinen wirklichen Sieg über die nationalen Kräfte erringen können, obwohl letztere vom Westen als "Nationalsozialisten" abgekanzelt worden waren. Die Einmischung der "internationalen Staatengemeinschaft" in die Wahl – man drohte die Finanzhilfe zu überprüfen, falls die "Nationalisten" wiedergewählt werden sollten – hat nichts bewirkt: Die Serbische Demokratische Partei, aus der auch der steckbrieflich gesuchte Karadzic hervorging, hat in der "Republika Srpska" einen beachtlichen Wahlsieg errungen. Beobachter führen das zum Teil auch auf die Verhaftung des bosnischen Serbenführers Momcilo Krajienik durch SFOR-Truppen und seine Auslieferung an das Haager Kriegsverbrechertribunal zurück.

Die Kroaten haben mit überwältigender Mehrheit der HDZ – der in Zagreb geschlagenen Tudjman-Partei – die Stimme gegeben. Die bosnisch-herzegowinischen Kroaten blicken mit Unbehagen auf die Entwicklung in Zagreb, wo seit den Januar-Wahlen Ex-Kommunisten regieren. Und: Auf der einen Seite die Groß-Serben, auf der anderen die militanten Moslems. In beiden Varianten gäbe es für eine kroatische Volksgruppe keinen Raum mehr.

Nur in Sarajevo und einigen größeren Städten wie Tuzla gewannen die "übernationalen" Parteien. Genauer gesagt: es war nur eine einzige Partei erfolgreich, die SPD – vergleichbar mit der deutschen PDS. Wenn aber der einzige lokale Sieger im Kampf gegen den "Nationalismus" die roten Genossen sind, stellt sich die Frage: Hat der Westen am Ende nicht auch in Sarajevo den neo-kommunistischen Bock zum Gärtner gemacht? Was bleibt dann noch für eine westliche Erfolgsbilanz übrig? In Bosnien – aber nicht nur dort – verfolgt der Westen unrealistische Ziele. Man will partout eine "multi-ethnische" Gesellschaft aus der Taufe heben – ohne zu merken, daß diese zu den blutigen Konflikten und Kriegen in Kroatien, Bosnien und im Kosovo führte.

Schon am Fall Kroatien zeigte sich, wie nach der Methode "Operation gelungen, Patient tot" eine Situation verschlimmert statt verbessert werden kann. Mit unverhohlenem Triumph feierten westliche Politiker die Wahlniederlage der HDZ. Die neuen Herren in Zagreb begannen als erstes mit großen Säuberungen. Die Demokratisierung des Fernsehens begann mit der Absetzung mißliebiger Journalisten. Im Außenministerium wurden zahlreiche Diplomaten an die Luft gesetzt. 75 Prozent der kroatischen Botschafter sollen abgesetzt werden. Dem vorherigen Amtsinhaber Mate Granic wirft man aber "Nepotismus" vor.

Aber obwohl im Nach-Tudjman-Kroatien an der Regierungsspitze ein Kampf aller gegen alle ausgebrochen ist, stellt das kein Thema für die westlichen Medien dar. So sehr man früher über die Kroaten herzufallen pflegte und kein gutes Haar an ihnen ließ: Heute werden die gleichen Kroaten in den westlichen Medien totgeschwiegen oder nur kursorisch am Rande abgehandelt. Kroatien und die Kroaten sind kein Thema mehr, seit das Land so wählte, wie der Westen es befohlen hatte. Die Kroaten sind nicht mehr Teil des Problems – und deshalb uninteressant. Die Frage bleibt, ob der Westen sich im Fall Bosnien und Kroatien nicht nach bewährter Methode in die eigene Tasche lügt.


 
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