© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/00 21. April 2000

 
"Kuriositäten"
Gewerkschaft greift CDU-Politiker an
Philip Plickert

Die hessische Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat die CDU aufgefordert, Hans-Jürgen Irmer als schulpolitischen Sprecher zurückzuziehen. Der 48jährige Abgeordnete habe sich als Herausgeber des Wetzlar-Kurier "durch nationalistische, rassistische und menschenverachtende Äußerungen hervorgetan". Seit 18 Jahren erscheint der Wetzlar-Kurier als kostenloses Anzeigenblatt mit einer Auflage von etwa 100.000 Stück. In einer Mappe hat die GEW nun zwölf Texte zusammengetragen, die beweisen sollen, daß der CDU-Politiker mit seinem mittelhessischen Blatt "antidemokratische Verdunklung" betreibe. So hatte er in einem Leitartikel dem damaligen Zentralratsvorsitzenden Ignatz Bubis im Zusammenhang mit dessen Kritik an der Doppelpaß-Unterschriftenaktion geraten, er solle "sich einmal sachkundig machen, wie in Israel die Frage der Staatsbürgerschaft gelöst wird".

Als "menschenverachtend" wertete die GEW auch Irmers Äußerungen über Asylbewerber, die sich gewaltsam ihrer rechtmäßigen Abschiebung widersetzen. Eine "schärfere Gangart" hatte der CDU-Politiker angemahnt, notfalls müsse man Randalierer fesseln und knebeln. In der GEW-Presseerklärung wird bemängelt, daß "ein Verein mit Soldatenkreuz-Abbildung und Postfach-Adresse" per Anzeige im Wetzlar-Kurier um Mitglieder warb. Auch ein Interview Irmers von 1996 mit der JUNGEN FREIHEIT präsentierte die GEW als Beleg einer bedenklichen Gesinnung. Hier hatte sich der schulpolitische Sprecher der Hessen-CDU gegen islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen ausgesprochen. Die Positionen des Oberstudienrats, der 1999 bei der Landtagswahl mit 46,7 Prozent das beste Ergebnis in ganz Hessen eingefahren hat, stehen nach Auffassung der GEW "in krassem Widerspruch zum Bildungs- und Erziehungsauftrag des hessischen Schulgesetzes".

Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT bezeichnete Irmer die von der GEW zusammengestellten Äußerungen als "buntes Sammelsurium wahllos aus dem Zusammenhang gerissener Zitate". Damit könne er aber gut leben, da seine Fraktion voll hinter ihm stehe. Die GEW, deren Spitze er für "marxistisch" hält, diskreditiere sich selbst mit solchen "Kampagnen nach APO-Art". Die jüngste "Attacke der Gutmenschen" habe ihm jedoch "überhaupt nicht geschadet". Auch seine Zeitung sei nicht betroffen. Noch Ende vorigen Jahres hatte Ministerpräsident Roland Koch in einem Grußwort ausdrücklich das "beispielhafte Engagement" der Redaktion des Wetzlar-Kurier gewürdigt. Die Broschüre der GEW hat Irmer nach eigenen Angaben "kurz gelesen und dann zu den Akten gelegt unter der Rubrik ’Kuriositäten‘."


 
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