© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/00 21. April 2000

 
Ostern kommt vor dem Wahlkampf
Im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen geht es eher ruhig zu
Volker Kempf

Drei Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai befindet sich kaum ein Bewerber im Wahlkampfstreß. Dabei wurde die heiße Phase von führenden Politikern offiziell schon zu Karneval eingeläutet. "Die Wählerinnen und Wähler interessieren sich noch nicht für die Wahl, die warten erst noch Ostern ab", so ein Landtagskandidat. In einem 6.000 Einwohner zählenden Vorort der Landeshauptstadt Düsseldorf sieht es nicht anders aus: Auf dem Weg zum Einkaufen treffen die Bürger gerade auf zwei SPD-Plakatständer. Bei dem einen Plakat handelt es sich um eine Einladung zu einem Frühlingsfest mit der Kelly-Family. Das andere Plakat zeigt Wolfgang Clement, den derzeitigen Ministerpräsidenten.

Stadteinwärts kann man ein Großplakat mit dem CDU-Herausforderer Jürgen Rüttgers bestaunen. Darauf steht eine Aussage wie "Ich bin die Zukunft" oder so ähnlich. Sehr einprägsam ist der Spruch jedenfalls nicht. An dem einen oder anderen Laternenmast hat die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) bereits ein Plakat gehißt. Gefordert wird die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Unweit von dieser Wunschrechnung der Marxisten-Leninisten ist noch ein Plakat der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) von Helga Zepp-LaRouche zu entdecken. Der Plakattext bringt eine diffuse Angst vor der Globalisierung zum Ausdruck. Ein weiteres Wahlplakat am Straßenrand zeigt den FDP-Politiker Jürgen Möllemann im schwarzen Rollkragenpullover. Der dazugehörige Text verrät, daß es einem mit Personal Computer angeblich besser geht als den meisten Schulen, die keinen haben.

Das war es auch weitgehend, was man aus Sicht eines normal einkaufenden und arbeitenden Bürgers in der Landeshauptstadt vier Wochen vor der Wahl vom Wahlkampf mitbekommt. Selbst die Zeitungen geizen mit Artikeln, die zum gegebenen Anlaß eigens mit dem Hinweis "zur Wahl" versehen sind. Im Lokalteil einer Tageszeitung fand sich kürzlich immerhin ein Veranstaltungshinweis der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung zum Parteienfilz. Als Gäste werden Guido Westerwelle und Erwin K. Scheuch sowie andere namhafte Podiumsdiskutanten angeführt. Ob die parteinahe Stiftung bei der Veranstaltung auch an den Wahlkampf gedacht hat, geht aus dem kurzen Text nicht hervor. Zum Besuch der Podiumsdiskussion ist aber eine Voranmeldung erforderlich, was nicht gerade dafür spricht, daß in der breiten Bevölkerung Wählerinnen und Wähler angesprochen werden sollen.

So spärlich die Wahlkampfplakate und -veranstaltungen noch gesät sind, so liegt doch eine deutlich andere Stimmung in der Luft als noch vor etwa einem Jahr, als Kommunalwahlen anstanden und Rot-Grün das Wahlvolk direkt in die Arme der Union trieb. Heute beschäftigt der Spendensumpf der CDU die Gemüter. Ob Angela Merkel als Verkörperung der "weiblichen Unschuld" entscheidendes am angeschlagenen CDU-Image ändern kann? Der CDU-Bundesparteitag in Essen war jedenfalls eine geschickte Wahlkampfveranstaltung, ohne eigens eine durchführen zu müssen.

Von der Flugaffäre, bei der SPD-Spitzenpolitiker auf Kosten der Westdeutschen Landesbank (WestLB) mit Privatjets geflogen sind, spricht unterdessen kaum ein Mensch. Dagegen hat die CDU-Landtagsfraktion am Freitag die Gelegenheit zur Vorlage eines Zwischenberichtes des zuständigen Untersuchungsausschusses genutzt, um Stimmung gegen die Sozialdemokraten zu machen.

Bis zum Wahltag bleibt im bevölkerungsreichsten Bundesland vor allem die Frage spannend, wie Jürgen Rüttgers` Kampagne gegen die Green Card in Verbindung mit der Bildungspolitik ankommt. Die Leute schweigen sich zu ersterem Themenaspekt eher aus, wo immer sie auch ihr Kreuz am Wahlabend zu machen gedenken. Die Bildungspolitik aber ist längst zu einem zentralen Wahlkampfthema geworden und füllt in der örtlichen Tagespresse ganze Lesebriefseiten. Dem Politbarometer vom vergangenen Wochenende zufolge befürworten 55 Prozent die CDU-Postkartenaktion für mehr zeitgemäße Bildung und gegen die Anwerbung ausländischer Computerspezialisten, nur 41 Prozent sind dagegen.


 
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