© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/00 21. April 2000

 
WIRTSCHAFT
Brüchige Wachstumshypnose
Bernd-Thomas Ramb

Frühjahrszeit. Da sprießen auch die Konjunkturprognosen. Wieder einmal wurde drei Prozent Wirtschaftswachstum vorausgesagt, wie in Waigels Zeiten. Ebenso regelmäßig verwelkten aber auch die wirtschaftlichen Blütenträume. Statt um drei Prozent stieg das Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen vier Jahren nur um 0,8 – 1,5 – 2,2 und zuletzt, unter Rot-Grün, um 1,5 Prozent. Zwar wurden die Prognosen stets angesichts der drohenden Realität Schritt für Schritt nach unten revidiert, die Differenz zwischen Vorhersage und Wirklichkeit war jedoch immer peinlich eklatant. Die berühmt-berüchtigte Drei-Prozent-Marke hat Schröder in der diesjährigen Regierungserwartung vorsichtshalber auf 2,5 reduziert. Er liegt damit noch unter der Prognose der Wirtschaftsinstitute von 2,8. Die bessere Vorbereitung auf die diesjährige Prognosepleite?

Ein Motiv der Überschätzung ist in diesem Jahr besonders hervorzuheben, der schwache Euro, für den selbst die Optimisten der Europäischen Zentralbank inzwischen internationalen Ansehensverlust befürchten. Sie wissen sehr wohl, der Euro-Außenwert läßt sich langfristig nur verbessern, wenn das Wirtschaftswachstum des Eurolands international mithalten kann. Die positiven Anzeichen, Anstieg des Exports und relativ mäßige Lohnerhöhungen, werden überbewertet, die konjunkturellen Gefahren, wie die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit, die zunehmende Inflation und die Spreizung der Einkommensdifferenz zwischen Arm und Reich, heruntergespielt oder vollständig negiert. Notwendige strukturelle Reformen sind in Deutschland auch dieses Jahr kaum zu verzeichnen. Woher soll also das Wachstum kommen? Durch bloße Autosuggestion sicher nicht.


 
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