© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/00 21. April 2000

 
Den Staat denken
Helmut Quaritsch, Staatsrechtler und Carl-Schmitt-Experte, feiert seinen 70. Geburtstag
Michael Meyer

Helmut Quaritsch, einer der profundesten Kenner von Werk und Person Carl Schmitts, feiert am 20. April seinen 70. Geburtstag. Der Hochschullehrer gehört neben Persönlichkeiten wie Ernst Wolfgang Böckenförde in die kleine und feine Reihe von konservativen Staatsrechtlern, die der Bundesrepublik Deutschland und ihren Juristen über Generationen ihr Gepräge gegeben haben. Liest man Aufsätze oder Bücher von Quaritsch, so wird seine Nähe zu Carl Schmitt deutlich. Dies vielleicht weniger durch die Ähnlichkeit ihrer Auffassungen, als vielmehr durch das seriöse Vorgehen in der wissenschaftlichen Arbeit und die hervorragende Allgemeinbildung. Wer weiß beispielsweise heute noch, daß Carl Schmitt Latein und Altgriechisch perfekt beherrschte?

Quaritsch studierte in seiner Geburtsstadt Hamburg Theologie, Philosophie und Rechtswissenschaften. 1957 promovierte er als Jurist, und 1965 habilitierte er sich für Öffentliches Recht und Kirchenrecht an der Hamburger Universität. 1965 wurde Quaritsch als Ordinarius für Öffentliches Recht an die Ruhr-Universität Bochum berufen. Im Jahr des Höhepunktes der Studentenrevolte kam er an die Uni von Rudi Dutschke und Bernd Rabehl, die Freie Universität Berlin.

Dort blieb er vier Jahre, um dann zur Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer zu wechseln. Dort ist Quaritsch auch heute noch ordentlicher Professor für Staatsrecht und Staatslehre. Von 1970 bis 1973 gab der Vater zweier Söhne ein Gastspiel als Leiter beim Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages.

Quaritsch hat sich im Laufe seiner mittlerweile über 40jährigen Lehr- und Forschungstätigkeit einen Namen erarbeitet, der weit über die juristischen Fachgrenzen hinaus reicht. Quaritschs Forschungsschwerpunkte sind das Ausländer-, Asyl- und Staatsangehörigkeitsrecht, das Öffentliche Dienstrecht, die Amnestie und vor allem: Staats- und Souveränitätstheorien der Neuzeit. Diese Interessenschwerpunkte sind bei einem Juristen, der in seinem Zugang zum Fachgebiet stark von Carl Schmitt beeinflußt worden ist, auch nur konsequent. So drehen sich um diese Thematiken auch viele Beiträge in der von Quaritsch seit 1968 mitherausgegebenen Zeitschrift Der Staat. Es ist bedauerlich, daß dieses Periodikum in der heutigen Juristenausbildung keinerlei Rolle mehr spielt. In den juristischen Bibliotheken fristet diese grundlegende Zeitschrift ein verstaubtes Dasein im hintersten Bereich. Die aktuelle Massenausbildung züchtet nur noch Alpmann-Schmidt-Advokaten.

Die ersten grundlegenden Werke Quaritschs befaßten sich alle mit Carl Schmittschen Problemkreisen. So handelt seine Habilitationsschrift vom Zusammenhang von Staat und Souveränität. 1977 veröffentlichte Quaritsch eine Studie zu den Problemen der Selbstdarstellung des Staates.

Aber immer wieder und vor allem anderen Carl Schmitt. Zu dem großen deutschen Staatsdenker dieses Jahrhunderts Zugang zu finden, ist nicht gerade einfach. Viele jüngere Studenten der Jurisprudenz, die etwas mehr wissen möchten, als sie in den Klausuren anbringen können, oder Studenten der Politikwissenschaft sind an den Schriften des 1985 verstorbenen Plettenbergers verzweifelt. Bevor man sich mit allen möglichen Schmunzius beschäftigt (wie beispielsweise die seichte "Einführung" von Reinhard Mehring oder das unsäglich-dümmliche "Carl Schmitt im Dritten Reich" von Bernd Rüthers), sollte man besser zu Helmut Quaritschs 1989 veröffentlichtem Buch "Positionen und Begriffe Carl Schmitts" greifen.

Obwohl man Quaritsch sicher im weiteren Sinn zu den Schmittianern rechnen muß, ist dieses kleine Büchlein keine Apologie. Es ist vielmehr eine kurze, fundierte Einführung in das Denken von Schmitt, dessen Wirken und Einfluß heute so massiv geleugnet werden. Denn Carl Schmitt war wohl vor allem eines: ein Staatsdenker im klassischen Sinn – das bedeutet, er hat den Staat gedacht. So bilden den Schwerpunkt des Schmittschen Werkes die Voraussetzungen und Bedingungen der Existenz eines wirklichen, sprich: souveränen Staatswesens. Der breiteren akademischen Öffentlichkeit dürfte halbwegs unbekannt sein, daß Schmitt von den Vätern des Grundgesetzes um Hilfe gebeten worden ist. Die Grundsätze der "wehrhaften Demokratie" stammen von keinem Geringeren als Carl Schmitt. Und dies, obwohl Schmitt 1934 den umstrittenen Aufsatz "Der Führer schützt das Recht" verfaßte, der das Vorgehen Hitlers gegen die SA nachträglich rechtfertigte.

Helmut Quaritsch identifiziert drei "Grundprägungen" bei Carl Schmitt: den Katholiken, den Etatisten und den Nationalisten. Damit kommt er Person und Werk näher als so viele andere bundesdeutsche Betroffenheitsneurotiker, die versuchten, Schmitt nach psychoanalytischen Gesichtspunkten zu destruieren.

Besondere Verdienste hat sich Quaritsch 1986 als Organisator des ersten internationalen Kongresses über Carl Schmitt in Speyer erworben, an dem so wichtige Schmitt-Kenner wie Piet Tommissen und Günter Maschke teilnahmen . 1988 erschien dann der Tagungsband "Complexio oppositorum – Über Carl Schmitt". Dieses Buch muß zu den wichtigsten Werken der Sekundärliteratur zu Carl Schmitt gezählt werden.


 
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