© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/00 21. April 2000

 
Zeitschriftenkritik: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt
Nachbeterin des Korrekten
Werner Olles

In diesen Monaten geht das 1948 von Landesbischof Hanns Lilje gegründete Deutsche Allgemeines Sonntagsblatt – kurz DS genannt – in seine vorerst letzte Runde. Denn der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat Ende Februar grünes Licht gegeben für ein Monatsmagazin als Nachfolgeobjekt der seit langem defizitären Wochenzeitung, deren Überleben noch im Herbst vergangenen Jahres am seidenen Faden gehangen hatte. Nun soll voraussichtlich im Juni die Umstellung erfolgen, doch bis dahin wird das Sonntagsblatt weiter produziert und vertrieben, so daß es "keine Lücke zwischen alt und neu geben wird", wie Chefredakteur Arnd Brummer schreibt. Unklar scheint demnach nur noch zu sein, ob der Titel der "Christlichen Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur" auch auf das neue Monatsmagazin übergehen soll.

Ohnehin werden eher konservative Zeitungsleser, die es ja auch unter evangelischen Christen durchaus geben soll, dem DS kaum eine Träne nachweinen. Denn in der Tat galt und gilt das Blatt als publizistische Nachbeterin der Political Correctness, und kann es in dieser Beziehung jederzeit ohne größere Schwierigkeiten mit der altehrwürdigen Zeit oder der Frankfurter Rundschau aufnehmen. Stromlinienförmig geglättet und poliert legt es seine Biederkeit höchstens auf Kosten des politischen Gegners ab. Was die Zeitung zum Beispiel über Jörg Haider und die FPÖ anläßlich des Regierungswechsels in Österreich schreibt, trieft nicht nur von einem zutiefst unchristlichen Haß, sondern zeugt, was noch viel schlimmer ist, von einem geradezu bigotten Hochmut, der von jener hundsföttischen Art ist, die in aller Regel nur diejenigen haben, die sich selbst zur Rechten Gottes sitzen sehen.

Schlichtes und Schlechtes unterscheidet sich nur durch einen Vokal und durch die Qualität, aber große journalistische Kunst hat das DS nie gemacht und offensichtlich auch nie gewollt. Nun mag es Leser geben, die an Reportagen über "Fäkalkünstler" und "Sexarbeiterinnen" Gefallen finden, aber ganz und gar unerträglich wird es, wenn das Blatt seinen penetranten Predigerton anschlägt und im Brustton der Überzeugung radikale Aufrufe zur Toleranz gegenüber Moslems, Schwulen oder Schwarzen mit verrenkten Metaphern versieht, die ziemlich klar ersichtlich jenem "unendlichen Wohnzimmerschrank kleinbürgerlicher Erfahrung" (Martin Walser) entsprungen sind.

Während der Rheinische Merkur, das Konkurrenzblatt der katholischen Bischöfe, bis heute relativ ungebrochen einem aufgeklärten bürgerlichen Konservativismus, angereichert mit einem kräftigen Schuß rheinischer Liberalität, huldigt, watet das DS selbstbewußt durch die Untiefen eines links-protestantischen Seelenkitsches, dessen tumbe Ehrlichkeit und erstickende Selbstbeweihräucherung nichts als Langeweile und publizistischen Analphabetismus erzeugen.

Ob sich das Nachfolgeobjekt des DS von dieser Nabelschau des "progressiven Protestantismus" lösen kann, ist ungewiß. Immerhin können die Leser ein wenig aufatmen, bekommen sie doch anstatt viermal nur noch einmal im Monat ein passend zugeschnittenes Mäntelchen für linksliberale Gefühle umgehängt.

Kontaktadresse: "Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt", Postfach 20 32 30, 20222 Hamburg


 
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