© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/00 28. April 2000

 
Kolumne
Entmündigung
von Klaus Hornung

"Kinder statt Inder": Die Champagner- und Toskana-Fraktion unserer politischen Klasse meint wieder einmal, sich ob dieses Wahlkampfslogans vor Ironie ausschütten zu sollen. Sie stört sich an der Verpackung, nimmt aber den Inhalt des Themas nicht zur Kenntnis, wie hier nämlich eine einst große Nation im Selbstverwirklichungs- und Shareholder-Rausch ihre Zukunft verpennt, kaum noch Kinder haben will und die, die sie noch hat, mit einer miesen Schulwirklichkeit systematisch vernachlässigt.

Die gegenwärtige Green Card-Diskussion alarmiert immerhin über zwei unserer zentralen Probleme: die demographische Entwicklung und die Ausbildung unseres Nachwuchses. Wieder einmal ist der Volkssouverän klarsichtiger als die sich im politischen Geschwätz verheddernde Politische Klasse. Das Institut für Demoskopie in Allensbach hat jetzt in der FAZ die Ergebnisse seiner neusten Umfrage veröffentlicht, die zeigen, daß die Mehrheit der Anhänger aller Parteien (außer der PDS) der Auffassung sind, daß die bestehende Asylregelung und ein Einwanderungsgesetz von uns nicht verkraftet werden können, die Forderung also lauten muß: Wenn ein Einwanderungsgesetz nach unserem Interesse und Bedarf, dann Beseitigung unseres weltweit einmaligen Asylrechts als allgemeines Menschenrecht und sein Ersatz durch eine "institutionelle Garantie" für wirklich Verfolgte wie sie die meisten anderen Staaten haben.

Man braucht wohl kaum lange zu rätseln, ob die Kommandohöhen unserer gelenkten Demokratie in Wirtschaft, Medien und Parteien sich um diese Wünsche und Interessen des "Volkssouveräns" kümmern werden. Die Gutmenschen allenthalben werden nur einmal mehr über die "Stammtische" spotten anstatt zu erkennen, wo die Gründe unserer wachsenden Politikverdrossenheit liegen.

Der österreichische Linke Günter Nenning hat sie soeben in seiner Kolumne in der Welt am Sonntag mit Bitterkeit zusammengefaßt: "Demokratie ist, wenn die Volksvertreter begründete Überfremdungsängste als "Ausländerhaß" diffamieren; das Volk mehrheitlich gegen Rechtschreibreform und Euro ist, seine Vertreter dies aber ignorieren, Gaddhafi und Castro ein-, Schüssel und Riess-Passer ausgeladen werden, und so weiter." – Keine Sorge: Die Entmündigung des Volkssouveräns wird noch eine Weile fortdauern. Wie lange noch?

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaft an der Universität Stuttgart-Hohenheim


 
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