© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/00 05. Mai 2000

 
Sozialarbeiter an der Grenze
Michael de Wet/Ernst Jarmer

Brave Mädchen kommen in den Himmel, freche Mädchen kommen überall hin. Aber wohin kommen dumme Mädchen? Man braucht diese Frage nicht weiter zu vertiefen, um sich auch so einen Reim auf den Vorschlag der 22jährigen grünen Europaabgeordneten Ilka Schröder zu machen. Diese hatte kürzlich in ihrem monatlichen Informationsbrief "Denkpause" allen Ernstes den Vorschlag unterbreitet, die Europäische Union möge doch künftig osteuropäische Schleuserbanden aus Steuergeldern subventionieren: Statt sichere Computerverbindungen im Rahmen der Polen-Europol-Kooperation zu verlegen, "sollte die Schleuser-Branche an der EU-Ostgrenze subventioniert werden."

Ilka Schröder sieht die Schlepper in einer menschlichen Zwickmühle, aus der sie nur der Staat mittels Steuergeldern befreien kann: "Da viele Fluchthelfer ihren Beruf nicht nur aus Humanität, sondern auch aus wirtschaftlichem Interesse betreiben, sind die Gebühren für Flüchtlinge oftmals zu hoch." Mit Hilfe von EU-Subventionen könnten diese "Gebühren" aber bestimmt gesenkt werden, meint die Grünen-Politikerin.

Überraschenderweise stieß der hochherzige Vorstoß auf wenig Gegenliebe. Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, der CSU-Politiker Ingo Friedrichs, fertigte den glorreichen grünen Vorschlag barsch als "wahnsinnige Idee" ab. Und auch der Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen witterte einen verspäteten Aprilscherz hinter der Basisinitiative. Ein "Kind" sei die Schröder, das "nichts von praktischer Politik versteht", kolportierte die Presse Stimmen aus dem Vorstand eben jener Partei, die dieses "Kind" auf ihre Kandidatenliste gesetzt hatte.

Heißt es nicht in einem Sprichwort, daß Kinder und Narren die Wahrheit sagen? Vielleicht ist es ja gerade die kindliche oder kindische Unschuld von Frau Schröder, die unbedarft das ausplapperte, was gesetztere und gewieftere (Partei-)Freunde der multikulturellen Gesellschaft so (noch) nicht auszusprechen wagen.

Bei näherem Nachdenken fallen einem sofort weitere Sektoren ein, die dringend ebenfalls staatlicher Förderung bedürfen.

Nach derselben Logik könnte auch die Subventionierung der Mafia gefordert werden. Denn vielleicht veranlassen EU-Fördergelder die Paten auch dazu, ihre Schutzgelder zu senken. Das wäre dann eine Entlastung für den ständig mit Schutzgeldforderungen gegängelten Luigi von der Pizzeria an der Ecke, mithin also eine sinnvolle wirtschaftsfördernde Maßnahme.

Albanischen Banden könnte der billige Abtransport gestohlener Autos finanziert werden. Ohnehin liegt die Gewinnspanne für die an der Armutsgrenze lebenden Autoknacker oft unterhalb des Sozialhilfesatzes. Hier ist der Gesetzgeber dringend gefordert! Hier länger wegzuschauen wäre unsozial und verantwortungslos ...

Ilka Schröder jedenfalls ("Ich bin meine eigene Strömung") wird sicherlich weiterhin für Unterhaltung im weitgehend von gediegener Langeweile bestimmten Europaparlament sorgen.


 
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