© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/00 05. Mai 2000

 
Die Genossen sind die besseren Bilanzkünstler
Nach dem schwarzen gerät jetzt auch das rote Finanzgebaren unter Beschuß
Paul Rosen

Pecunia non olet – Geld stinkt nicht. Dieser römische Grund-satz läßt sich bequem auf die Finanzierung der deutschen Parteien durch staatliche und andere Quellen übertragen. Nachdem sich die Öffentlichkeit ein gutes halbes Jahr an den Bimbes-Methoden der Kohl-CDU, an Auslandskonten in der Schweiz und an versteckten Vermögen der hessischen Christdemokraten ergötzen konnte, gerät nun die SPD ins Zwielicht. Die Genossen um ihre Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier entpuppen sich als wahre Bilanzkünstler: 18,4 Millionen Mark, die im Jahre 1998 als Dividende an die SPD ausgeschüttet worden waren, tauchen in keiner Bilanz mehr auf. Dennoch sei rechtlich alles in Ordnung, versichert die SPD-Schatzmeisterin. Die Laien staunen, und die Fachleute wundern sich.

Nach dem alttestamentarischen Grundsatz "Auge um Auge – Zahn um Zahn" nahm sich die im Visier des Parteispenden-Untersuchungsausschusses des Bundestages befindliche Union sofort die Sozialdemokraten vor: Der Bundeskanzler und SPD-Vorsitzende Gerhard Schröder soll vor das Gremium geladen werden, um zu berichten, welche Rolle die Dividenden-Ausschüttungen der parteieigenen Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) im Jahre 1998 bei der Finanzierung des Bundestags-Wahlkampfes gespielt haben könnten. Denn etwas erscheint ungewöhnlich: Ausgerechnet im Jahre 1998 kassierte die SPD 18,4 Millionen Mark brutto (für das Geschäftsjahr 1997) von ihrer DDVG. In den gesamten Jahren von 1992 bis 1997 betrug die Gesamtausschüttung jedoch 23 Millionen Mark. Das Verhältnis zwischen den Vorjahren und dem Wahljahr 1998 stößt nicht nur Christdemokraten befremdlich auf – vor allem vor dem Hintergrund, daß dieselbe SPD wegen der im hessischen Landtagswahlkampf von der CDU eingesetzten Auslandsgelder eine Wahlanfechtungsklage betreibt, weil sie die Chancengleichheit der Parteien verletzt sieht.

Bisher hat jedoch niemand die These vertreten, die SPD habe mit ihrer Verschleierung der Dividenden-Millionen gegen das Parteiengesetz verstoßen. Das Gesetz schreibt zwar im Paragraphen 24 vor, daß Einnahmen und Ausgaben detailliert zu belegen sind. Doch im Paragraphen 27 wurde eine Spezialregelung eingebaut. Danach dürfen die Parteien außerhalb des Rechenschaftsberichts Einnahmen und Ausgaben verrechnen, also im Falle der SPD Ausgaben für die Bundesgeschäftsstelle in Berlin mit den Dividenden-Millionen. Als Einnahmen aus Vermögen bleiben im Rechenschaftsbericht lediglich 2,4 Millionen Mark übrig. Diese Saldierungspraxis sei "gesetzlich zwingend vorgeschrieben", behauptet die SPD-Kassenwartin Wettig-Danielmeier sogar.

Man muß allerdings wissen, auf welchen Hintergrund die gesetzlich zwingenden Vorschriften zurückgehen. Anfang der achtzier Jahre – der Flick-Parteispendenskandal hatte die Bundesrepublik bis ins Mark erschüttert - war die Notwendigkeit klarerer Parteienbilanzen unumstritten. In der Folge suchte nicht etwa der Rechtsausschuß des Bundestages, sondern eine Klüngelrunde von Vertretern der Schatzmeistereien der damaligen Bundestagsparteien nach neuen gesetzlichen Regelungen. Mit am Tisch saß zum Beispiel als Vertreter der CDU Uwe Lüthje, der im von Kohl ausgelösten Bimbes-Skandal eine zentrale Rolle spielt.

Die Runde einigte sich auf neue Bilanzierungsvorschriften, die genügend Hintertürchen hatten, um die wahre Vermögenslage der Parteien erfolgreich zu verschleiern. Der Hamburger Professor für Revisions- und Treuhandwesen, Wilhelm Strobel, beklagt zum Beispiel, daß die Rechenlegungsvorschriften genügend Spielraum ließen, um Unternehmensgewinne oder den Verkauf von Beteiligungen komplett zu verschleiern. Der Parteienrechtsexperte Hans Herbert von Arnim sagte in einem Zeitunsginterview: "Die Gesetze zur Parteienfinanzierung wurden in den letzten Jahrzehnten im voraus von den Schatzmeistern der etablierten Parteien abgesprochen. Sie entschieden in eigener Sache." Im Bundestag sei das Ergebnis nur noch abgehakt worden.

Die Entstehung der Saldierungsvorschriften im Parteiengesetz kann nur auf eine Intervention der SPD zurückzuführen sein. Andere Parteien konnten daran kein Interesse haben. Sie besitzen keine Beteiligungen an Unternehmen in nennenswertem Umfang; dies gilt für CDU, CSU und FDP gleichermaßen. Nur die Sozialdemokraten retteten ihre westdeutschen Pressebeteiligungen aus der Zeit vor 1933 in die Nachkriegszeit. Zwar wurde mancher traditionsreiche SPD-Zeitungstitel eingestellt, doch die erhalten gebliebenen Beteiligungen an Regionalzeitungsverlagen zum Beispiel in Bielefeld oder Hannover sind als Goldadern zu bezeichnen. "Zeitungen drucken", sagte vor Jahren bereits ein westfälischer Chefredakteur, "ist wie eine Lizenz zum Gelddrucken". Nach der "Wende" in der DDR und der folgenden Wiedervereinigung bekam die SPD unerwartet eine weitere Goldader. Sie erhielt auch hier Vorkriegsbeteiligungen an Zeitungsverlagen zurück. Der Wert des SPD-Imperiums wird von vorsichtigen Schätzern auf 500 Millionen Mark veranschlagt, in der Öffentlichkeit ist auch von drei Milliarden die Rede. Zum Vergleich der Größenordnungen: Die Finanzierung eines Bundestagswahlkampfes kostet etwa 50 Millionen Mark, auch wenn die SPD 1998 erheblich mehr aufgewendet haben dürfte.

In den Rechenschaftsberichten der Genossen taucht der Wert der SPD-Pressebeteiligungen jedoch nur mit zwölf Millionen Mark auf, die Dividende überhaupt nicht. Von Transparenz, zu der sich die Parteien gesetzlich verpflichtet haben, kann also keine Rede sein. Sogar das Grundgesetz schreibt zwingend vor, daß die Parteien über die Herkunft der Mittel und ihr Vermögen Auskuft zu geben haben. Daraus wurde von der SPD für Helmut Kohl und seine Geldsammlungen ein Verfassungsverstoß abgeleitet, der jetzt auf die SPD selbst zurückfällt. Wer im Glashaus sitzt, sollte bekanntlich nicht mit Steinen werfen.

 

Nachtrag Leserbrief Ausgabe 26/ 00 23.06.00

Zu: "Die Genossen sind die besseren Finanzkünstler" von Paul Rosen, JF 19/00

Es gibt keine Trickserei

Mir liegt daran, daß einige Fakten über unsere Unternehmensbeteiligungen und über unseren Rechenschaftsbericht für 1998 nicht unterschlagen oder durcheinander gebracht werden.

Unsere Unternehmensholding DDVG hat 18,4 Millionen Mark Gewinn ausgeschüttet, dieser Gewinn ist versteuert worden, und der Rest wurde mit Ausgaben für den Neubau des Willy-Brandt-Hauses in Berlin sowie anderen Investitionen verrechnet, und der verbliebene Restbestand wurde ausgewiesen. Genauso schreibt es das Parteiengesetz im § 27 vor. So verfahren auch die anderen Parteien, was sie nicht bestreiten.

Dieser Praxis widersprechen zwei Bilanzexperten, die sich selbst mit den besonderen Rechenschaftsvorschriften des Parteiengesetzes nicht befaßt haben. Parteienrechtler halten unsere Praxis für richtig, weil dem besonderen Gesetzeszweck gefolgt wird, auch die einzige wissenschaftliche Veröffentlichung zu diesem Thema stützt unsere Auffassung. Es ist nicht fair, als Parteienrechtler nur Professor von Arnim zu zitieren. Von Arnim war 1992/93 an der Novellierung des Parteiengesetzes beteiligt: Er saß in der Kommission des Bundespräsidenten, und er hat an Expertenrunden teilgenommen. Wer sein Urteil heranzieht, muß wissen, daß viele Kollegen ihm widersprechen.

Die Saldierungsvorschrift ist nicht auf den Einfluß der SPD zurückzuführen. Die Gründe für diese Sondervorschrift sind kompliziert, deshalb möchte ich hier darauf verzichten. Sie sind aber kein Geheimnis und jederzeit nachprüfbar.

Wie setzen unser Vermögen nach den allgemein geltenden Regeln an. Es gibt dabei keine Trickserei, schließlich stehen die Wirtschaftsprüfer mit ihrem Testat für die Korrektheit ein. Natürlich sind diese Beteiligungen mehr wert als ihr Buchwert, auf keinen Fall jedoch die Spekulationszahl von drei Milliarden Mark. Die einzige seriöse Schätzung benennt den Wert mit 500 Millionen Mark, was gerade den Parteihaushalt der Gliederungen der SPD für zwei Jahre finanzieren könnte.

Inge Wettig-Danielmeier, Berlin, Schatzmeisterin der SPD


 
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