© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/00 05. Mai 2000

 
Ford-Sklaven
USA: Auch US-Firmen sollen jetzt an Zwangsarbeiter zahlen
Ivan Denes

Die Handelskammer der Vereinigten Staaten plant die Errichtung eines humanitären Fonds, aus dem ehemalige Zwangsarbeiter in deutschen Tochterunternehmen amerikanischer Firmen entschädigt werden sollen. Dadurch sollen amerikanische Unternehmen, deren deutsche Töchter während des Krieges aus Zwangsarbeit Profite erwirtschaftet haben, vor drohenden Sammelklagen ("class actions") geschützt werden.

"Wenn die Kammer Wege und Mittel findet, damit das Geld tatsächlich den ehemaligen Opfern zugute kommt und nicht in die Hände von Anwälten fällt, dann werden wir es tun", erklärte der Sprecher der Kammer, Frank Coleman.

Melvin Weiss, einer der prominenten Anwälte die gegen Schweizer Banken und deutsche Unternehmen Sammelklagen eingereicht hatten, erläuterte, daß es seiner Ansicht nach hierbei um eine Aktion von Stuart Eizenstat, dem Staatssekretär im Schatzamt und Sonderbeauftragter des Weißen Hauses für Restitutionsfragen, gehe. "Eizenstat geht über die Handelskammer vor, um die Unternehmen zu freiwilligen Beiträgen zu bewegen." Diese sollten sie vor zukünftigen Klagen schützen. In den deutschen Medien wurde bisher lediglich über General Motors, Ford und IBM (das den früheren Büromaschinenproduzenten Honeywell geschluckt hatte) als Unternehmen berichtet, deren deutsche Niederlassungen Zwangsarbeiter eingesetzt hatten. Den Nachforschungen von Rechtsanwalt Melvin Weiss zufolge geht es jedoch um geschätzte 200 US-Unternehmen, darunter: Coca Cola, Colgate-Palmolive, Corn Products, E.I.duPont de Nemours, Eastman Kodak, Eaton, Exxon Mobil, Ford Motor Co., General Motors Corp., Gillette, International Business Machines, Ingersoll-Rand, ITT Industries, Kraft, Minnesota Mining and Manufacturing Co., NCR, Nestle, Philip Morris Companies Inc., Quaker Oats, Schering-Plough Corp., Unisys Corp., United Technologies und Unocal.

Einige der genannten Unternehmen, wie etwa Corn Products, protestierten zumal sie erst nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurden (Corn Products in 1997). ITT und Colgate-Palmolive lehnen Beiträge ab, weil ihre deutschen Tochterunternehmen nie Zwangsarbeiter eingesetzt haben sollen. Andere Unternehmen haben schon zugesagt, dem deutschen Stiftungsfonds "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" beizutreten. So hat z.B. Eastman Kodak, in dessen Berliner Werk Zwangsarbeiter eingesetzt worden waren, eine Million Mark zugesagt.

Sollte die Initiative der US-Handelskammer keinen Erfolg zeitigen, ist davon auszugehen, daß die Anwälte rücksichtslos prozessieren werden.

 

Ivan Denes war langjähriger Mitarbeiter des Springer-Auslandsdienstes und ist Inhaber der West-Ost-Nachrichtenagentur WONA.


 
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