© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/00 05. Mai 2000

 
Chaos beim Schreiben
Plädoyer für einen verantwortungsvollen Umgang mit Sprache
Manfred Riebe

Der unermüdliche Kampf gegen überflüssige Anglizismen ist aller Ehre wert. Längst schon droht der deutschen Sprache eine Überfremdung in Gestalt einer Vermischung mit anderen Sprachen, insbesondere mit dem Englischen, wodurch unsere Sprache nicht nur verhunzt, sondern vor allen Dingen zurückgedrängt wird. Deshalb hat der "Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e. V." (VRS) bereits im Herbst 1998 eine Broschüre mit dem Titel "Engleutsch? Nein, danke!" herausgebracht. Denn mit dem übertriebenen Gebrauch fremder Wörter spricht oder schreibt man über die Köpfe der Zühörer und Leser hinweg. Genauso respektlos aber ist die willkürliche Eindeutschung bzw. Germanisierung von Fremdwörtern. Die Schreibweise fremder Wörter ist als Sprach- und Kulturerbe anderer Völker zu achten. Natürlich darf und muß sich sogar Sprache verändern. Doch dieser Prozeß darf sich nicht künstlich, willkürlich am Reißbrett vollziehen. Die natürliche Sprachentwicklung bedarf aber sprachwissenschaftlicher Beobachtung und Begleitung. Schließlich ist Sprache ein Kulturgut, das gepflegt werden muß.

Doch mehr noch als die verantwortungslose Anglisierung ist die natürliche Entwicklung unserer Sprache durch den "Schnitt am offenen Herzen", die inzwischen gegen Volk und Künstler erzwungene Rechtschreibreform, bedroht. Die "Reform" ist unübersehbar kompliziert und widersprüchlich und enthält mangelhafte Regeln, die zu unterschiedlichen und fehlerhaften Schreibweisen führt. Damit hat man die Einheitlichkeit der Rechtschreibung zerstört. Was zur Vereinfachung der Rechtschreibung gedacht war, hat sich ins Gegenteil verkehrt: Die Fehlerzahl ist infolge der "Reform" gestiegen. Die "Reform" hat zu einem Rechtschreibchaos mit Hunderten von Fehlern auch in den Zeitungen geführt. Diese Ergebnisse waren vorauszusehen, weswegen sich schon frühzeitig gerade Schriftsteller wie Günter Kunert, Reiner Kunze oder Siegfried Lenz dem VRS anschlossen. "Es ist nie zu spät, eine solche Kultur- und Sprachzerstörung zu stoppen!"

 

Manfred Riebe, Oberstudienrat, ist Vorsitzender des Vereins für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. Adresse: Max-Reger-Str.99, 90571 Schwaig


 
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