© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/00 12. Mai 2000

 
PRO&CONTRA
Die Fünf-Prozent-Hürde abschaffen?
Trude Unruh / Hans-Jürgen Mahlitz

Mehr Demokratie wagen- dieser Slogan, in aller Munde, würde zum reinen Lippenbekenntnis, wenn die Fünf-Prozent-Hürde weiterhin "Mehr-Demokratie" verhindert. Zu Beginn des neuen Jahrtausends, mit all seinen Hoffnungen auf mehr Bürgerbeteiligung, wird immer noch kontrovers in den etablierten Parteien diskutiert. Das größte Bundesland NRW tat sich besonders schwer und mußte per Gerichtsbeschluß zum Wegfall der Fünf-Prozent-Hürde zu den Kommunalwahlen 1999 gezwungen werden. In der 100jährigen Geschichte der SPD hat sich die Struktur so verfestigt, daß von dem anfänglichen Ziel – mehr Volks-Arbeiter-Beteiligung – kaum noch etwas übrig ist.

Das Schreckgespenst "Weimarer Verhältnisse" wird immer dann an die Wand gemalt, wenn es um die Fünf-Prozent-Hürde und um Volksentscheide, auch auf Bundesebene, geht. Für die Grünen zählt nur noch Machterhalt. In Anbetracht von "Schwarzen Koffern" und "Rotem Filz" kann der Wähler zwischen zwei Übeln wählen, ... oder gar nicht! Grüne und FDP sind zu Erfüllungsgehilfen verkommen. Eine echte Opposition, unerläßlich für jede Demokratie, ist nicht in Sicht. Eine "Große Koalition" hätte niemals die schwarzen und roten Korruptionen ans Licht der Sonne gebracht. Der verheerende schlechte Ruf – Politikverdrossenheit – schreckt die Bürger zunehmend ab, sich in Parteien zu engagieren, eine fatale Entwicklung (nur knapp fünf Prozent der Bevölkerung sind in Parteien, aber Parteien bestimmen den Kurs für die restlichen 95 Prozent). Wir sind das Volk! Die Gängelung von machtbesessenen Politikern kann nur gestoppt werden durch mehr Demokratie. Im Wegfall der Fünf-Prozent-Hürde auch auf Landes- und Bundesebene liegt die Chance von neuen, unkorrumpierten politischen Kräften, die volksschädliche Beton-Politik aufzusprengen, für eine zeitgemäße, volksbestimmte Politik im neuen Jahrtausend.

 

Trude Unruh ist Gründerin der Grauen Panther und Bundesvorsitzende der Partei "Die Grauen – Graue Panther".

 

Weg vom Parteienstaat, hin zur direkten Demokratie, also weg mit der Fünf-Prozent-Hürde! Gute Idee – doch wie so viele wohlklingende Ideen und Ideologien scheitert auch diese an der Praxis. Man versuche sich vorzustelllen, wie der Deutsche Bundestag ohne Sperrklausel aussähe: 20 bis 30 Parteien, zum Teil mit nur einem einzigen Mandat und dementsprechend bescheidenen Gestaltungsmöglichkeiten. An der Dominanz der großen Parteien würde sich dadurch nichts ändern, wohl aber am Ablauf der parlamentarischen Arbeit. Wie lange sollen sich parlamentarische Beratungen und Gesetzgebungsverfahren denn hinziehen, wenn zu jedem Punkt 30 Redner antreten, darunter vielleicht gar ein paar geschäftsordnungsdebattenerprobte Alt-68er? Und was das Niveau der Bundestagsdebatten betrifft: Quantität statt Qualität, das kann doch wohl nicht demokratische Zielvorstellung sein.

Zur Funktionsfähigkeit von Legislative und Exekutive, die auch vom Bundesverfassungsgericht zum unverzichtbaren Kriterium erklärt wurde, gehört ferner die Möglichkeit, arbeitsfähige Koalitionen zu bilden. Das ist, wie man in Deutschland auch schon vor Rot-Grün erfahren konnte, selbst bei Zweier-Koalitionen nicht einfach. Je mehr Koalitionspartner, um so mehr Blockade und Erpressung, je kleiner die Fraktion, um so größer die Neigung, sich als "Schwanz, der mit dem Hund wedelt", in Szene zu setzen.

So schön also die Idee der direkten Demokratie auch sein mag – in Deutschland ist sie nur auf kommunaler, also überschaubarer Ebene zu leisten. Aus bürgerlich-konservativer Sicht wäre zur Zeit natürlich ein Fortfall der Fünf-Prozent-Klausel opportun. Doch die wertkonservative demokratische Rechte, soweit sie sich neben der CDU organisiert, muß endlich so auftreten, daß sie eine reelle Chance hat, die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen, statt von Manipulationen am Wahlrecht zu träumen.

 

Hans-Jürgen Mahlitz ist Chefredakteur des Internet-Monats-Magazins "Deutschland-Direkt-Online".


 
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