© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/00 12. Mai 2000

 
Meldungen

Hochschulreform und Globalisierung

BERLIN.Im Mai-Heft von Forschung&Lehre, dem Organ des Deutschen Hochschulverbandes, hat dessen Präsident, der Kölner Völkerrechtler Hartmut Schiedermair, auf den maßgeblichen Kontext der aktuellen Bildungsdiskussion hingewiesen. Schiedermair, der sich von jeder "Globophobie" distanziert und die Vernetzung der Ökonomien und Kulturen als Chance zur gerechteren Gestaltung der Weltwirtschaftsordnung preist, warnt vor der zerstörerischen Kehrseite der Globalisierung. Die entfesselten Marktkräfte führten zu einer "Dekultivierung", wie sie sich in der BRD bereits beobachten lasse. Die "Heilserwartung des schnellen Geldes" ermutige parteiübergreifend Bildungspolitiker, die Hochschulen den Marktgesetzen zu unterwerfen. "In einschlägigen Kreisen" würden bereits Papiere kursieren, in denen sich die "Vision der neuen Hochschule" konkretisiere. Umgesetzt finde man sie in den neuen Vorschlägen zur Reform des Hochschuldienstrechts. Geplant ist der Wegfall der Habilitation und eine "Besoldung nach Marktlage", was sich negativ auf die "unprofitablen" Geisteswissenschaften auswirken werde.

 

Gesetzliche Regelung für patentiertes Erbgut

BERLIN.Einen Aufschrei der Umweltorganisation Greenpeace hat der Referentenentwurf des Bundesjustizministerium zum "Gesetz über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen" ausgelöst. Mit dem Gesetz soll festgeschrieben werden, daß Gensequenzen von Menschen, Tieren und Pflanzen patentierbar sind, sobald deren Funktion entdeckt ist. Es soll Wissenschaftlern und Biotech-Unternehmen aber verboten sein, nur Gensequenzen patentieren zu lassen, ohne den konkreten Verwendungszweck anzugeben. Trotzdem glaubt Greenpeace damit das Tor zur Kommerzialisierung des Erbguts und zum Ausverkauf der Natur an "Genkonzerne" weit aufgestoßen.

 

Gentechnik-Gegner setzen auf Gewalt

GIESSEN. Nach dem Brandanschlag auf das fahrbare Genlabor des Bundesforschungsministeriums hat eine bislang unbekannte Gruppe namens "Stadtpartisanen Rhein-Main" zu weiterem Widerstand gegen die Gentechnik aufgerufen. Der mit zwölf Laborplätzen ausgestattete Sattelzug ("Science-live Mobil") war auf einem Schulhof in Gießen in der Nacht zum 4. Mai in Brand gesteckt worden. Dabei war ein Sachschaden von 1,5 Millionen Mark entstanden. Das Genlabor war vor sechs Wochen von Berlin aus zu einer dreijährigen Deutschlandfahrt gestartet und sollte in Schulen und auf Messen über Gentechnik informieren. In einem Fax an den Gießener Anzeiger riefen die "Stadtpartisanen" zu Anschlägen gegen "Symbole" der Gentechnik auf – gegen die Welthandelsorganisation WTO, das Biotechnik-Mobil und die Expo 2000.

 

Forschungen über den fortschreitenden Zerfall

BERLIN.Ein angelsächsisches College im nobel-beschaulichen Grunewald, das Forscher aus aller Welt als Gäste beherbergt – das ist das Wissenschaftskolleg zu Berlin. Daß dort kein Elfenbeinturm steht, belegt die jüngste Ausgabe der Kolleg-Nachrichten. Die wissenschaftlichen Schwerpunkte lesen sich wie die Signatur des multikulturellen Zeitalters im Zeichen erodierender Bindungskräfte. Der Politologe Claus Leggewie widmet sich den Hintergründen von "Moscheenkonflikten" in der BRD. Leggewies Forschungen sollen den "interkulturellen Dialog" mit zwei Millionen Muslimen intensivieren. Ein anderes Projekt untersucht die Bedeutung der Arbeit und Arbeitslosigkeit für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, der durch die Flexibilisierung der Arbeitswelt im "Spätkapitalismus" bedroht sei.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen