© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/00 12. Mai 2000

 
Wikinger-Rock: Eine umstrittene Musikszene auf Erfolgskurs
"Du hast den Kopf zum Denken"
Sven Karlsson

Der Begriff "Viking-Rock" ist seit spätestens 1992 weltweit untrennbar mit der schwedischen Band Ultima Thule verbunden: Vorher eher unbeachtet, wenn auch nicht erfolglos, landete die Band mit ihrem Album "For fäderneslandet" (Für‘s Vaterland) einen Erfolg, der sich nicht nur sehen, sondern auch hören lassen konnte. Ultima Thule verstanden es wie keine andere Band, rohe Punk-Rhythmen, ausgefeilten Hardrock und schwedische Folklore zu einem harten Sound mit viel Melodie zu verbinden. Galt bis dahin im Rockgeschäft der Slogan "Sex & Drugs & Rock‘n‘Roll", zeigten sich die vier trinkfesten Schweden konservativ genug, sich auf ihrer LP stolz mit ihren Familien ablichten zu lassen. Ultima Thule wurden dadurch binnen kürzester Zeit zu einer der beliebtesten, aber auch von den Medien am meisten umstrittensten Bands.

Die Negativwerbung scheint der Band nicht geschadet zu haben: Einen lukrativen Vertrag mit E.M.I. lehnten die vier rührigen Nordmänner ab und nahmen den Vertrieb ihrer CDs selbst in die Hand. Der Erfolg gab ihnen recht: Mittlerweile wurden zwei Scheiben vergoldet. "For fäderneslandet" erhielt im letzten Jahr sogar Platin – von den Medien natürlich unbeachtet; diese versuchen lieber krampfhaft und erfolglos, Kontakte zwischen UT und der schwedischen Hardliner-Nazi-Szene nachzuweisen.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Musikrichtungen zielt der Wikinger-Rock nicht auf eine bestimmte Gruppe ab, sondern rekrutiert seine Anhänger aus den verschiedensten Szenen. Auf den Bildern der CD-Booklets tummeln sich in friedlicher Eintracht "Stinos" (d. h. Durchschnittsbürger), Rocker, Fußball- oder Eishockeyfans, Skinheads, Punks, Skater und sogar Teddyboys. Ebenso vielfältig sind die einzelnen Bands: Auf der einen Seite Brutalo-Folklore-Punk Bands wie Enhärjarna, die beinharten Punk mit Violine, Banjo und Flöte vermischen, auf der anderen eher melodische Bands wie eben Ultima Thule oder die sehr vielversprechende neue Band Hel, bei der mit den beiden Schwestern Malin und Ulrika Pettersson zwei Frauen im Duett singen.

Natürlich werden die Wikinger-Bands von den großen Vertrieben gemieden. Motto: Wo Runen sind, müssen auch Nazis sein. 10.000 verkaufte Einheiten sind allerdings auch im kleinen Schweden mittlerweile keine unüberwindbare Hürde, und einige Bands liegen trotz Medienboykottes weit darüber.

In Deutschland hat sich die fränkische Band Nordwind einen Namen erspielt und lieferte Ende letzten Jahres mit "Zu neuen Ufern" ein textlich und musikalisch sehr beachtliches Album ab. Die Texte der drei jungen Fürther drehen sich neben der nordischen Mythologie um die "Intoleranz der Berufstoleranten", Drogensucht, Kindesmißbrauch, Umweltzerstörung und die immer mehr voranschreitende Verelendung unserer Städte.

Brandneu ist das Debut-Album der ebenfalls fränkischen Gruppe Balmung. Diese junge Band aus Schweinfurt landete quasi aus dem Stand ein Album der Spitzenklasse. Besonders fallen dem Hörer die wirklich gut durchdachten Texte auf: "In der Schule und durch Medien wird dein Weltbild geprägt. Wird die Lüge praktiziert, die den Namen ’Freiheit‘ trägt. Jedem zeigt man seine Feinde, den Gegner im System. Mit dem Brett vor deinem Kopf wirst du nie ihr Spiel verstehen. Glaub nicht alle die Scheiße, die man täglich dir erzählt. Übernimm nicht jede Meinung, die ein andrer für dich wählt. Du hast den Kopf zum Denken, also setz ihn endlich ein. Finde die Wahrheit, du mußt dich selbst befreien."

Deutsch wird neuerdings auch von Ultima Thule gesungen: Als "kleines Dankeschön an Deutschland und unsere Freunde dort" nahmen die vier Schweden die beiden deutschen Volkslieder "Der Gott, der Eisen wachsen ließ" und "Ich hab‘ mich ergeben" für ihre deutsche Vertriebsfirma "Dim Records" auf, die sich dort innerhalb weniger Tage als Renner erwiesen. Im Begleitheft zur CD heißt es, die Lieder nach Texten von Ernst Moritz Arndt und Hans Ferdinand Maßmann sollten alle daran erinnern, "daß eure Geschichte lange vor 1933 begann und nicht 1945 endete".

In Schweden steht der Band inzwischen eine zweite Karriere ins Haus: In der Nacht vom 8. auf den 9. Februar wurde das Studio und das Büro durch ein Bombenattentat schwedischer Linksterroristen zerstört. In einem Bericht im schwedischen "TV3"-Sender wurde die Band durch ein Interview und einige Konzertausschnitte zur besten Sendezeit in jedes schwedische Wohnzimmer transportiert und kann sich seitdem vor Bestellungen kaum retten. Gut möglich, daß der Schuß der Täter, die in den Reihen der Stockholmer "Anti Fascist Action" vermutet werden, nach hinten losgegangen ist. Sven Karlsson

 

Dim Records, Postfach 11, 96232 Ebersdorf, Deutschland. Internet: www.dimrecords.de

Ultima Thule Records, PO Box 3065, 61103 Nyköping, Schweden. Internet: www.ultimathule.se


 
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