© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/00 19. Mai 2000

 
UMWELT
Grill am Lagerfeuer
Ulrich Kriehn

Dem Zeitgenossen, der sich angesichts der Lage der Mitwelt und der krampfhaften Versuche des grünen Bundesministers J.T. bloß noch in die Literatur flüchten kann – "wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch" (Hölderlin) –, bietet sich ein neuer Hoffnungsschimmer. Kurse, in denen erfolglosen Selbständigen, hoffnungsvollen Umsteigern und eigentlich jedem Menschen Zielorientierung, Persönlichkeitsentwicklung und dynamisches Auftreten versprochen werden, gibt es wie Sand am Meer. Aber neu ist die ökologische Variante bei diesen Angeboten: da werden nach Referaten über Zielorientierung und Verkaufsstrategien auch ökologische Lernprozesse in Gang gesetzt: so werden die Teilnehmer auf einen Fußmarsch von einem Kilometer Länge geschickt; an einem kleinen Badesee liegen Boote, diese müssen nun in "selbstverantworteter" Weise besetzt werden, und man paddelt eine Stunde auf und ab. Sinn des ganzen: einen "kreativen Gruppenprozeß mit Klärung der Beziehungshierarchien und Strukturen" der Gruppe zu inszenieren. Am Abend gibt es einen "event" im Freien, was sich als relativ einfaches Lagerfeuer mit Grillen entpuppt. Was machen da Vegetarier? Vielleicht über die seltsamen Zeiten nachsinnen, in denen Verkäufer und Finanzberater plötzlich die "Ökologie" in ihrer elementarsten Form als "Erlebnispädagogik" entdecken. Aber da wir ja in allen Bereichen "herrlichen Zeiten" entgegengehen, es mit all den hehren ökologischen Zielen unserer rot-grünen Regierung halt etwas länger dauert, muß man ja froh sein, wenn von aufstiegsorientierten jungen Menschen Ökologie geradezu entdeckt wird. Vielleicht merkt der eine oder andere, daß Naturerleben mehr ist als nur die Grillfete am Lagerfeuer.


 
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