© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/00 26. Mai 2000

 
Freitod eines Gelehrten
von Dieter Stein

Am 13. Mai hat sich Werner Pfeifenberger das Leben genommen. Der gebürtige Salzburger war Professor für Politikwissenschaften an der Fachhochschule Münster. Er sollte sich am 26. Juni vor dem Wiener Schwurgericht in einem Prozeß verantworten, bei dem ihm nationalsozialistische "Wiederbetätigung" vorgeworfen wird. Der unbescholtene Professor, der jahrelang anstandslos an verschiedenen Universitäten gelehrt hat, geriet ins Fadenkreuz, nachdem er einen Beitrag ("Internationalismus gegen Nationalismus – eine unendliche Todfeindschaft?") im Jahrbuch der FPÖ veröffentlicht hatte.

Über die Qualität und den Gehalt dieses Aufsatzes kann man sich streiten, "neonazistische Aussagen" herauszulesen, wie dies Zeitungsjournalisten taten, ist absurd. Ein erster Prozeß, der vor Jahren gegen Pfeifenberger und die Herausgeber des Jahrbuches, Andreas Mölzer, Brigitte Sob und Lothar Höbelt, geführt worden war, blieb erfolglos. Als Pfeiffenberger sich jedoch persönlich gegen die Diffamierungen eines Journalisten "wegen übler Nachrede" wehrte, verlor er vor Gericht. Ergebnis: Gegen ihn wurde die Anklage neu aufgerollt.

Parallel dazu inszenierten "Kollegen" seiner Fachhochschule und Studenten eine Treibjagd auf den 58jährigen, den die Bild-Zeitung blutdurstig zum "Nazi-Professor" beförderte. Das NRW-Wissenschaftsministerium scheiterte noch kürzlich, ihn arbeitsrechtlich loszuwerden. Pfeiffenberger hielt dem Druck nun nicht mehr stand und schied aus dem Leben. Was für ein Urteil für unsere freiheitliche Gesellschaft ...


 
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